Budapest Régiségei 36. (2002) – In memoriam Rózsa Kalicz-Schreiber (1929-2001)

Zsidi Paula: Tomköpfchen aus dem Herd eines awarenzeitlichen Wohnhauses (Budapest III., Filatorigát) = Agyagfejecske egy avar kori lakóház tűzhelyéből (Budapest, III., Filatorigát) 341-362

PAULA ZSIDI für den herausragenden Zweig der awarenzeitlichen Keramikkunst. 51 An einem Teil der in Budapest gefun­denen Spinnwirtel wurden ebenfalls naturwissen­schaftliche Untersuchungen durchgeführt 52 und das Er­gebnis wies eine sehr heterogene Zusammensetzung des Materials dieser Spinnwirtel aus. Wahrscheinlich sind die von verschiedenen Fundorten stammenden und vermutlich an verschiedenen Orten entstandenen Wirtel lange Zeit in Gebrauch gewesen, bevor sie in den Boden gelangten. In unserem Fall ist jedoch nahezu gewiss, dass das Material für das Köpfchen in einer Tongrube gewon­nen wurde, die während der Römerzeit schon in Be­trieb war. Nur wenige Kilometer vom Fundort des Köpfchens entfernt wird der unter dem Namen Kisceller Ton bekannte Rohstoff gefördert, der die Zie­gelfabriken bereits in der Römerzeit und auch in der Neuzeit noch mit Material versorgte. Theoretisch ist also die Nutzung der traditionellen Tonfundorte auch in der Awarenzeit nicht ausgeschlossen. Bereits von der frühen Awarenzeitforschung wurde aufgeworfen, was neuere - technologische - Untersuchungen zu bestätigen scheinen, dass nämlich die awarenzeitliche Keramik verschiedene Wurzeln hatte, und eine dieser Ursprungslinien reicht bis in die Römerzeit zurück. Die Analyse der awarenzeitlichen Keramik haupt­sächlich in Transdanubien, und auch dort vornehmlich in den östlichen Teilen entlang des ehemaligen Limes, hat die Anwendung der römerzeitlicher Töpferpraxis nachgewiesen, äußerlich jedoch spiegelt sie den Ge­schmack der Awarenzeit wider. 53 INTERPRETATION, FUNKTION DES GEGENSTANDES In Anbetracht der Fundumstände sowie der Stil- und Formmerkmale darf man die awarenzeitliche Herkunft des Köpfchens für wahrscheinlicher halten, entgegen den naturwissenschaftlichen Untersuchungen, die eine Übereinstimrnung mit dem Rohmaterial der vor Ort hergestellten römerzeitlichen Keramik ergaben. Unbeantwortet allerdings bleibt vorerst die Frage, welchem Zweck der Gegenstand gedient haben könn­te. Die Fundumstände gestatten auch hierzu keine eindeutigen Rückschlüsse. Möglicherweise wurde er wie die römerzeitlichen Ziegel wegen seines hitzebe­ständigen Materials in der Feuerstelle genutzt. Doch mindestens ebenso aussichtsreich stellt sich die Mög­lichkeit dar, dass der Gegenstand eine seltene, einzi­gartige Bedeutung besaß und man ihn auf Grund einer ganz anderen Interpretation während oder nach sí ERDÉLYI 1966. 39. 52 Margit Nagy verdanke ich für die Möglichkeit, das Material der in der Völkerwanderungszeitlichen Sammlung des Budapester Historischen Museums aufbewahrten, in Budapest gefundenen Spinnwirtel untersuchen zu können. Zum Ergebnis der Unter­suchung s. Abb. 15. 53 BÁLINT 1995. 263; ROSNER 1971. 95-104. Gebrauch in der Herdstelle oder aber deren Trümmern platzierte. Um dies zu untersuchen, bleibt wiederum nur die Methode des Prüfens aller in Frage kom­menden Möglichkeiten. Am naheliegendsten erscheint die Möglichkeit, dass es sich um einen zufällig, zum Zeitvertreib oder persönlichen Vergnügen und ohne besonderen Sinn und Zweck angefertigten Gegenstand, um die Eigen­darstellung eines homo ludens handelt. Das würde eventuell auch die am Kopf sichtbaren und als Spuren vorheriger Versuche zu wertenden Züge erklären. Diese Erklärung ist jedoch - ob nun in der Römer­oder in der Awarenzeit - nur dort denkbar, wo der Ton dafür zur Hand und auch das Brennen gewähr­leistet war, also in einer Töpferwerkstatt bzw Ton­grube. An dem Fundort gibt es aber keinen Ton, 54 und auch die Entfernung vom Fundort zu den bekannten Werkstätten der römerzeilichen Militär- bzw. Zivil­stadt ist in etwa identisch. Am nächsten liegt unserem Fundort im Hinblick auf die Awarenzeit die Töpfer­siedlung im heutigen Stadtteil Békásmegyer. 55 Und selbst dann bedürfte es sowohl im Hinblick auf die Römer- als auch die Awarenzeit noch immer einer Erklärung, warum und wie das zum Vergnügen ange­fertigte Köpfchen in ein entfernteres awarenzeitliches Bauwerk gelangt ist. Als zweite Möglichkeit zur Bestimmung des beim Filatorigát gefundenen Köpfchens bietet sich die Funktion als Spielzeug, d.h. als Puppe, an. Bei den Rö­mern entstanden die den Mädchen zum Spielen die­nenden Puppen in erster Linie aus leichten Materi­alien wie Holz und Knochen. 56 Andererseits hatten sie auch eine andere Konstruktion als jene, auf welche unser Köpfchens hindeutet, denn die römerzeitlichen Puppenköpfe fertigte man zusammen mit den Schul­tern und dem Oberkörper an. 57 In unserem Fall dage­gen besteht nur der Kopf aus haltbarem Material. Allerdings ist die als Kopf dienende massive Tonkugel recht schwer, birgt daher Unfallgefahren und eignet sich weniger als Spielzeug. Im Falle der Awaren sind mir keine direkten Angaben über Gegenstände sol­54 Anfangs konnte man auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die aus der Verfüllung des römerzeitlichen Objektes unter dem Haus stammende Lehmschicht als Material des Köpfchens gedient haben könnte. Bei der Materialuntersuchung stellte sich aber heraus, dass man die römerzeitliche Lehmverfüllung für die Strohlehmmauer des awarenzeitlichen Hauses verwendet hatte, das Material des Köpfchens davon jedoch wesentlich abwich, das Köpfchen also nicht aus demselben Material angefertigt worden war. 55 Unter den vorerst noch unpublizierten Produkten der in den Zeitraum Ende 8. bzw Anfang 9. Jahrhundert datierten Siedlung ist Feinkeramik nicht bekannt. Vorläufige Veröffentlichung: NAGY T.: A népvándorlás kora (Die Zeit der Völkerwanderung). In: Bptört L Bp. 1973. 200, 207-208. ^FiTTÁ 1998. 54-58. 57 BÍRÓ 2000. 42-43. 348

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