Budapest Régiségei 30. (1993)
Harl, Ortolf: Die Stellung der Frau bei den einheimischen Stämmen Nordpannoniens : eine sozial- und kunstgeschichtliche Studie = A nő helyzete Észak-Pannónia bennszülött törzseinél 7-37
Ortolf HARL DIE STELLUNG DER FRAU BEI DEN EINHEIMISCHEN STÄMMEN NORDPANNONIENS Eine sozial- und kunstgeschichtliche Studie Einleitung Auf dem Olymp wird die Wissenschaft durch eine Göttin vertreten - auf der Erde vorwiegend durch die Männer. Der männliche Blick auf Ereignisse und Fakten ist an der Frau meist vorbeigegangen oder hat sie allenfalls flüchtig gestreift. Auf diese Weise ist die Erforschung der Rolle der Frau in der Geschichte häufig zu kurz gekommen. Daß eine speziell auf die Bedeutung der Frau zugeschnittene Fragestellung zu wesentlichen sozialen, historischen und auch kunsthistorischen Ergebnissen führt, soll im folgenden durch die Darstellung jener Rolle, die die Frau bei den vorrömischen Bewohnern Nordpannoniens spielte, gezeigt werden. Bei der Materialsammlung zu der Gesamtdarstellung der norisch-pannonischen Grabdenkmäler, mit der ich in absehbarer Zeit das hochverdiente, aber betagte und unvollständige Werk von A. Schober ersetzen möchte, ist mir aufgefallen, daß gerade in NordDie Rolle der Frau bei den Kelten Der Einstieg kann, wie immer bei einem keltischen Thema, nur nach dem Motto: „Schlag nach bei Caesar" erfolgen. In der Tat findet sich bei ihm noch das meiste, das z. T. von anderen antiken Schriftstellern ergänzt, bzw. bestätigt wird. Dazu treten die leider noch viel geringeren Befunde aus den Ausgrabungen, während Inschriften und Bilddarstellungen m. W. überhaupt noch nie ausgewertet worden sind. Die schriftlichen Zeugnisse Haben schon die römischen Frauen kaum Eingang in die Literatur gefunden, so sind die Nachrichten über die Frauen der Kelten noch viel spärlicher und stammen naturgemäß nur von außerhalb der keltischen Welt, also den antiken Schriftstellern. Diese äußern sich zur Rolle der nichtrömischen Frau allenfalls dann, wenn sie sich von den römischen Verhältnissen unterscheidet, wenn sich darüber etwas sagen läßt, was den Zielsetzungen des jeweiligen Autors entspricht oder zur Erziehung der eigenen Leser eignet. Daß die Frau bei den Kelten eine andere Rolle spielte als bei den Römern, steht sogar als Ursache hinter einem der ärgsten Schicksalsschläge, die Rom hinnehmen mußte, dem Galliersturm von 387 v. Chr., mit dem gleichzeitig die älteste Erwähnung einer keltischen Frau verknüpft ist : Als mächtigster Stamm Galliens stellten pannonién das weibliche Element auf den Grabsteinen besonders stark vertreten ist. Einmal auf der Fährte hat mich die stetig zunehmende Menge an Information überrascht, die trotz der scheinbaren Trostlosigkeit und Monotonie des Materials unerwartet vielfältig ist. Da man mangels direkter Quellen auch bei den nordpannonischen Frauen nicht mit der Türe ins Haus fallen kann, benötigt eine eingehende Behandlung des Themas Exkurse, die von verschiedenen Seiten eine Annäherung an die Frauen, an ihre gesellschaftliche Stellung und an ihre wirtschaftliche Bedeutung ermöglichen. Ich freue mich, der verehrten Jubilarin Gedanken zu einem Thema widmen zu können, das ihren unmittelbaren Forschungsbereich berührt. Leider bot sich nur selten die Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch, doch hat mich jedesmal die Art der Jubilarin, an neue Fragesteilungen heranzugehen, beeindruckt. Daher bedaure ich sehr, daß wir nie zu einer engeren Zusammenarbeit gekommen sind. die Biturigen den König. Dieser fühlte sich von den beiden umtriebigen Söhnen seiner Schwester in der Herrschaft bedroht. Durch geschicktes Taktieren gelang es ihm, sie mit ihren Anhängern zu jeweils einem Beutezug aus dem Lande zu locken: Segovesus wandte sich gegen Osten und brachte die keltischen Horden dazu, in der Folge den Balkan, Griechenland und Kleinasien zu plündern, während sich sein Bruder Bellovesus gar gegen Italien wandte, wo seine Scharen 387 v. Chr. unter Brennus über Rom herfielen. Diese Geschichte zeigt neben anderem, daß bei den gallischen Kelten auch Abstammung von einem weiblichen Mitglied des Königshauses einen Anspruch auf den Thron begründete. Bei den britannischen Kelten war es möglich, daß Frauen einen König beerbten. In Britannien hatte Prasutagus, der König der Iceni , um sein Reich und sein Haus vor Übergriffen zu schützen, neben dem römischen Kaiser auch seine beiden Töchter als Erben ein7 • • gesetzt. Nachdem diese aber von marodierenden römischen Soldaten geschändet worden waren, kam es im Jahre 61 zum Aufstand. Diesen führte, da das Oberkommando über das kriegerische Aufgebot der britannischen Stämme auch von Frauen übernommen werden konnte , die Königin Boudicca an. Als nach bitteren Rückschlägen für die Römer die Britannier zur Entscheidungsschlacht aufgestellt waren, zog Boudicca von 7