Budapest Régiségei 26. (1984)
VITA - Szakál Ernő: A budavári gótikus szoborlelet sérüléseinek és eltemetésének jelképrendszere 271-321
ERNŐ SZAKA L SYMBOLSYSTEM DER BESCHÄDIGUNGEN UND VERGRABUNG DES GOTISCHEN SKULPTURENFUNDES IN DER BURG BUDA Der im Jahr 1974 freigelegte Skulpturenfund bei den auf dem Areal der Burg Buda durchgeführten Ausgrabungen gibt einen konkreten Beweis der höfischen Kunst Ungarns im späten Mittelalter. Über die Erschliessung des Skulpturenfundes veröffentlichte László Zolnay im Jahr 1977 einen zusammenfassenden Bericht, in dem er die Fundumstände klarlegte. Es wurden Bruchstücke — Torsi, Köpfe, verschiedene Körperteile und Gliederfragmente — von 50—60 Skulpturen gefunden. Trotz der tausenden Fragmente konnte keine Figur vollständig zusammengesetzt werden, und alle sind willkürlich beschädigt. Einige Figuren sind unvollendet in der Formgestaltung, mehrere ohne, und ein Teil mit Fassung, unmittelbar aufeinander weisend, wobei die Fundbeilagen in Beziehung zu den Figurenfragmenten stehen. Die Künste veranschaulichen seit Jahrtausenden in einer Porträtskulptur den lebendigen Menschen, die Person, auf verschiedenene Art und Weise. Eine Königsfigur repräsentiert die Person des Königs, mit all dem ausgestattet, was gebührend war, in Form und Farbe, prachvoll, vollständig und unversehrt dastehend. Im Mittelalter wurden die Beschädigungen oder Verstümmelungen ganz anders gesehen, als wir dies heute tun. Eine Statue mit abgeschlagenar Nase oder abgebrochener Hand wirkte damals so, als stünde ein Mensch mit abgeschnittener Nase oder abgehackter Hand vor einem. Diese Art des Sehens ist uns nicht gegeben. Zu einem impulsiven Verstehen gelangen wir nur dann, wenn wir wenigstens versuchen, dem Rätsel oder Geheimniss des Skulpturenfriedhofs auf diese Weise nahe zu kommen. Am erhaltengebliebenen Hüftteil einer Skulptur sind von einem Beil oder Schwert stammende Schläge zu sehen, die absichtlich erfolgt sind (Abb. 1). Die Statue wurde mit einer Person identifiziert, und die Täter zerschlugen nicht den Kunstgegenstand, sondern vermutlich von Rache und Hass erfüllt einen König (Abb. 2 und 3). Dazu ein Bruchstück und gewisse Analogie auf Abb. 4 und 5. Die Studie befasst sich der Reihe nach mit den Skulpturresten, welche Beschädigungen sie aufweisen, und was für Ausbesserungsarbeiten erkennbar sind, und macht dabei auf die abgeschlagenen Nasen, Wangen-, Kinn- und Lippenverstümmelungen aufmerksam (Abb. 6—16,18). Von grosser Bedeutung sind durch die Unvollendetheit der Meisselarbeit eine roh bearbeitete Bischofsstatue (Abb. 17) sowie Details mehrerer Plastiken. Konnte wohl die schöne kleine Madonna ohne jegliche Fassung, mit einer Schädelfläche, auf die niemals eine Krone gesetzt wurde in einer königlichen Kapelle aufgestellt gewesen sein? Keinesfalls. War es ein wunderbar schönes Modell oder Vorbild für eine Muttergottesstatue? Ihr Kopf kam als Einzelfund an einer entlegenen Fundstelle zum Vorschein. Die Meisselspuren an ihrem Gesicht liefern den Beweis für eine absichtliche Verstümmelung, dessen Grund eventuell in dem damaligen Dogmastreit über die Unbeflecktheit Marias zu suchen ist (Abb. 19-20, 22). Mit dieser Skulptur stehen auch ein Madonnentorso und köpf (Abb. 33-34) in Beziehung. Ritter und Bischöfe sagen zusammen mit anderen Persönlichkeiten des Hofes durch ihre Beschädigungen und Unvollendetheit unterschiedliches aus (Abb. 21, 23—32). Zu einer unbemalten Bischofsstatue (Abb. 35—36) passt eine aus Stein gemeisselte Mitra (Abb. 37), doch die /Flächen der Zusammenfügung und die angebrachten Bohrlöcher sind völlig rein. Auf unvollendete Ritterfiguren deutet ein Bruchstück (Abb. 38) zusammen mit mehreren bisher nicht publizierten Fragmenten. Von den Herolden (Abb. 39-^4) kann nicht festgestellt werden, in wessen Dienst sie einst standen. Ihre Wappenschilder sind leer. Ein mit Fassung versehener Herold hält einen Helm in den Händen (Abb. 43), das Erkennungszeichen, die Helmkleinode aber wurde entfernt, abgemeisselt. Die Köpfe sind neben ihrer ästhetischen Wirkung beredter, besonders, wenn wir auch ihre Beschädigungen in Betracht ziehen. (Abb. 46-50). Zahlreich sind die Möglichkeiten einer zufälligen Beschädigung, hier jedoch sind die mit einem Gegenstand oder Werkzeug, einem Meissel durchgeführten willkürlichen Verstümmelungen unbestreitbar. Die Hälfte vom Bart eines schönen Kopfes (Abb. 51) wurde abgeschlagen, in seine Wange eine Wunde gehauen, in der Herzgegend befindet sich ein Bohrloch und das linke Ohr ist unbearbeitet. Im mittelalterlichen Symbolsystem könnte dies bedeuten, dass dieser Mann als ein unehrlicher Mensch galt. Durch die bemalten Pupillen und roten Lippen wurde die Figur „mythisch lebendig", und so konnte diese Person symbolisch ermordet und zerhackt werden. Die Nase eines einzigen Kopfes ist unbeschädigt (Abb. 52). Es handelt sich vermutlich um ein Meisterporträt, dem die Ehre nicht genommen wurde, der aber als Diener und Mithelfer der Herrenmacht verurteilt wurde. Mehrere Fragmente deuten auf die Ejàstenz einer Werkstatt. Ein architektonisches. Modell aus Kalkstein, der Eckstein eines Chorabschlusses (Abb. 54) und ein zerbrochener Wetzstein beweisen dies unmittelbar. Von zwei fast gleichen Köpfen (Abb. 53, 55—57) ist anzunehmen, dass es sich um Studienköpfe handelt, und sie nicht von irgendwo aufgestellten Statuen stammen. Der Männerkopf mit Pelzmütze (Abb. 59) ist ein Porträtmodell, das nach seinem charakteristischen Kopfschmuck zu urteilen, König Sigismund darstellt, und den Bildhauern als Vorlage-Vorbild gedient hat. 289