Budapest Régiségei 13. (1943)
ÉRTESÍTŐ - Auszüge = Estratti = Summaries 485-575
suebisch-sarmatischen Kriege Domitians, an denen auch die legio II. adiutrix teilnahm, 7 ferner das Jahr 107 und die folgenden bis zum Jahr 114, als die Legion aus Dazien endgültig nach Aquincum verlegt wurde. Die Stileigentümlichkeiten der Stele helfen uns, von diesen beiden Möglichkeiten den richtigeren Zeitpunkt zu wählen. Auch die bisherige Forschung hat schon hervorgehoben, dass die Darstellung des Verstorbenen (Vollgestalt), sowie die dekorativen Elemente (die Verzierung des Tympanons mit akanthusälmlichen Blättern) entschieden auf das Rheingebiet hinweisen. Wir müssen also die Stilrichtungen der Bildhauerkunst dieser Gegend vor Augen halten, umsomehr, da auch unsere Legion aus dem von dieser Gegend künstlerisch beeinflussten Britannien an die Donau kam. Die Gestalt des Castricius steht in einer breiten, sich in Halbkreisform allmählich nach innen vertiefenden Nische, in voller Vorderansicht. Seine Gestalt verbreitet sich flach in der Nische und füllt diese vollkommen aus. Der Helmteil drückt sich an den oberen Rand, und auch der Oberteil des schräg gehaltenen Pilums verfolgt dicht die senkrechte Linie des Randes. Fine weitere Folge der im Verhältnis zur Nische unproportionierten Komposition ist, dass nur ein Dreiviertelteil des ovalen Schildes in der Nische Platz hat. Neben der Überdimensionierung der Figur sind auch die anatomischen Miss Verhältnisse des Körpers zu gross. Die Beine sind zu lang, der linke Arm zu kurz, der Hals fehlt völlig. Der rechte Unterarm erweckt deshalb den Anschein, als ob der Bildhauer eine Verkürzung angewandt hätte. Zur Betonung der Plastizität wandte der Bildhauer nicht die geringe Verdrehung des Körpers nach rechts oder links an, wie dies an zeitgenössischen Grabsteinen der Rheingegend zu beobachten ist. Die steife Körperhaltung des Castricius, die Darstellung seiner Figur in harten Zügen, weicht 7 C. Patsch, a. a. O. S. 34 ff, 39 ff. — R. Syme, I^iureae Aquincenses I. 1938. S. 270 ff. — U. Kahrstedt, Domitians Politik zwischen Donau u. Main (Bonn. Jahrb. 1940. S. 63—70.) vollständig von den in Pannonién seit Hadrian erscheinenden, hellenistischen Vorbildern folgenden Darstellungen von Vollgestalten in weichen Zügen ab. 8 Der Bildhauer hat ferner das sog. stehende und das spielende Bein deutlich unterschieden. Das Körpergewicht ruht auf dem rechten Bein ; das linke ist etwas nach rückwärts gezogen und die Ferse gehoben. Während die Beine im Dreiviertelrelief, plastisch dargestellt sind, vertieft sich der breite, flache Oberteil des Körpers, zusammen mit dem nur massig gewölbten Brustteil, in den Hintergrund ; die Umrisse des Körpers sind hier nur nachgezogen. Der Kopf ist massig nach vorn gebeugt und sitzt unmittelbar auf den Schultern. Die Beine und der Kopf sind sorgfältig bearbeitet. Diese Sorgfalt geht in der Wiedergabe der vom Gurt herunterhängenden Lederriemen und der Lederverzierungen des balteus bis zur minutiösen Kleinlichkeit. Der Oberkörper und die Arme sind demgegenüber nur grob ausgehauen. Der rechte Unterarm ist eine formlose Fleischmasse. Die Randverzierung des Lederharnischs hat der Bildhauer hier nicht einmal angedeutet. Auf der formlosen, ausgestreckten linken Hand deuten nur tiefe Einschnitte die stabartigen, langen Finger an, während die Fingernägel sorgfältig dargestellt sind. Parallel zur reliefartigen Behandlung und zur Bestrebung nach Plastizität erscheint die grosse, glatte Flächen (Brustteil) und Kleinlichkeit bevorzugende Sorgfalt. All dies wäre dem Bildhauer zuzuschreiben, wenn diese in allen Beziehungen zum Ausdruck kommende Zwiefachheit nicht zugleich die Eigenschaft des »Legionärstils« 9 der Flavierzeit wäre, dem auch unsere Stele auf Grund der Darstellung des Castricius angehört. Das ovale, fleischige Gesicht ist hart modelliert. Der Stirnteil ist schmal und nicht 8 S. z. B. der Grabstein des Mestrius {A. Schober, a. a. O-Nr. 157) und die bei ihm angeführten weiteren Beispiele. 9 Neben den grundlegenden Ausführungen von A. Furtwängler, a. a. O. S. 500 ff. siehe die Ergebnisse von L. Kahl, Zur Stilentwicklung d, provinzialröm. Plastik in Germanien u. Gallien, Darmstadt, 1937, S. 12 ff. mit den Bemerkungen von Helmut Schoppa, Die Welt als Geschichte, IV. 1938. S. 331. ff. 570