Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

SCHNEIDER, Christine: „per vim et metum“. Einige Prozesse von Klosterfrauen um Dispens von ihren Ordensgelübden (aus dem Allgemeinen Verwaltungsarchiv in Wien)

Christine Schneider stecken zu lassen“. In gleicher Weise wäre zuvor mit ihr, Sigismunda, und ihrer anderen Schwester verfahren worden.56 Mater Sigismunda schreibt, dass „die Größte und beste Monarchin, zwar unwissentlich, und aus reinster Zuneigung gegen den Katholischen Glauben, die unschuldige Ursache“ des Unglücks ihrer Schwester gewesen sei. Die unglückliche Columba, die keine „Rettung“ wusste, wurde im Alter von 15 Jahren im Benediktinerinnenstift von Göss eingekleidet. Als sie älter wurde, begann sie ihren aus Not gewählten Entschluss zu bereuen. Sie verfiel in Schwermut, umso mehr als sie von ihren Mitschwestem keinen „Trost“, keine „Geduld“ und keine „Liebe“ erfuhr.57 Nachdem sie also, auf diese gewaltthätige Art ins Kloster gesteckt würde; den geistlichen Stand ohne alle Überlegung angenommen hatte, in demselben niemals zufrieden war, bittet Mater Sigismunda den Bischof von Seckau/Steiermark, Columba von ihren Gelübden zu entbinden, wozu dieser auch bereit war.58 Die Eingliederung und Unterordnung in die hierarchischen Strukturen des Konvents, die präzise Erfüllung von geistlichen und weltlichen Verpflichtungen und die Verleugnung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse bildeten das soziale Gerüst klösterlicher Lebensgemeinschaften. Nonnen, welche die ihnen zugewiesene Rolle nicht erfüllen wollten oder konnten, wurden zu Außenseiterinnen, was sich in der Enge und Ausweglosigkeit der Klausur immer als fatal für die Betroffene erweisen musste.59 Ungehorsame, aber auch psychisch kranke Religiösen, hatten mit sozialer Isolation und mit Bestrafung zu rechnen.60 Mönche, die als „schuldig und 56 Vgl. Küppers-Braun, Ute: „Kinder-Abpracticirung“: Kinder zwischen den Konfessionen im 18. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 49, 3 (2001) S. 208-225. Zu solchen Beispielen vgl. auch Freist, Dagmar: Religious difference and the experience of widowhood in seventeenth- and eighteenth-century German. In: Widowhood in Medieval and Early modem Europe, hrsg. von Sandra Cavallo und Lyndan Warner. Harlow 1999, S. 164-177, hier S. 171-175; sowie Freist, Dagmar: One body, two confessions: mixed marriages in Germany. In: Gender in Early Modem German History, hrsg. Von Ulinka Rublack. Cambridge u. a. 2002, S. 275-304, hier S. 27-279. 57 Zu den Konflikten innerhalb des Konvents vgl. auch Naschenweng, Hannes P.: Die letzte Äbtissin von Göß. Maria Gabriela von Schaffmann (1779-1782). In: Blätter für Heimatkunde 70 3/4 (1996), S. 81-93, hier S. 81-88. 58 NÖLA, RegA, Klosterrat, Karton 210a, Brief der Mater Sigismunda Gräfin Trauttmansdorff vom 5. September 1782. 59 Schneider, Christine: Kloster als Lebensform. Der Wiener Ursulinenkonvent in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (1740-90). Wien-Köln-Weimar 2005 (L’Homme Schriften 11), S. 114- 120. Die Hl. Teresa von Avila beschäftigt sich in ihrem Buch von den Klosterstiftungen unter dem Titel „Wie man die Melancholie behandeln muß. Eine wichtige Unterweisung für die Oberinnen“ ausführlich mit diesem Problem. Sämtliche Schriften der hl. Theresia von Jesu, hrsg. von Aloysius Alkofer. München 1936, Bd. 2, S. 65-71. Grundsätzlich vgl. auch Saurer, Edith: Religiöse Praxis und Sinnesverwirrung. Kommentare zu einer religiösen Melancholiediskussion. In: Dynamik der Tradition, hrsg. von Richard Van Dülmen. Frankfurt a. M. 1992 (Studien zur historischen Kulturforschung IV), S. 213-239. 92

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