Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

TISCHER, Anuschka: Die Bellegarde-Akten im Historischen Staatsarchiv Lettlands in Riga: Quellen zur transnationalen Geschichte einer savoyisch-österreichischen Adelsfamilie und ihres Umfelds vom 15. bis zum 20. Jahrhundert

Anuschka Tischer Hinrichtung Hérault de Séchelles 1794 wurden Adelaide de Bellegarde und ihre Schwester zeitweilig inhaftiert, nach ihrer Freilassung allerdings gehörten sie zur gesellschaftlichen Führungsschicht von Paris und pflegten Umgang unter anderem mit Talleyrand. Friedrich von Bellegarde jedoch beharrte langfristig und obwohl Adelaide zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwei außereheliche Kinder gebar, auf seinem Protest gegen die Scheidung. 1805 musste er dann zwar schließlich doch die Scheidung von seiner Frau akzeptieren, erreichte aber dafür die Sicherung der Erbfolge für die gemeinsamen Kinder. Weder Adelaide, die 1830 in Paris starb, noch Friedrich oder beider Kinder kehrten jedoch nach Savoyen zurück. Die Erben verkauften die savoyischen Güter, darunter das Schloss Marches, Stammsitz der Familie seit 1530, und setzten die von Friedrich begründete steirische Linie der Bellegarde fort, die allerdings noch im 19. Jahrhundert wieder erlosch. Die andere österreichische Linie der Bellegarde dagegen, die von Heinrich begründet wurde, existierte bis in das 20. Jahrhundert hinein. Ihr Stammsitz wurde 1859 das schlesische Gut Groß-Herrlitz, das zuvor im Besitz der Grafen von Würben (Wrbna) gewesen war.34 Nach drei Jahrhunderten im savoyischen Dienst machte sich die Familie Bellegarde eineinhalb Jahrhunderte im österreichischen Dienst einen neuen Namen, der durch die militärischen und militärpolitischen Verdienste Heinrichs als Feldmarschall, Minister und Träger des Goldenen Vlies vielleicht der prominentere wurde. Dabei war Heinrichs eigene Karriere dank des verstärkten Engagements Österreichs in Italien seit der Französischen Revolution noch sowohl mit Österreich wie mit Oberitalien verbunden.35 Ob Heinrich dabei noch aufgrund seiner Familiengeschichte eine besondere Verpflichtung gegenüber Italien empfand, muss dahingestellt bleiben, aber er trug als österreichischer Vertreter in Italien zur kulturellen Einigung bei durch die Mitbegründung der Zeitschrift Biblioteca Italiana.36 Drei umfangreiche Akten dokumentieren Heinrichs Tätigkeit37: Korrespondenzen mit seinen Brüdern und einem Neffen, denen er aus Padua, Mailand, Graz, Wien, Krakau und anderen Orten berichtete, Briefentwürfe aus seiner Korrespondenz mit anderen Militärs und Politikern seiner Zeit - darunter Graf Stadion und Fürst Metternich -, ein Brief des Kurfürsten von Köln an Bellegarde von 1797 und andere Papiere und Berichte Bellegardes. Außerdem existiert ein Katalog der sowohl nach Bänden wie nach Epochen und Sachgebieten 34 Siehe dazu die anonymen „Beiträge zur Geschichte der Gutsherrschaft Groß-Herrlitz [...]“, LVVA 1 100, ap. 14, lieta 114, S. 225 f (= fol. 114-114v). Zur Geschichte von Groß-Herrlitz vgl. auch: Erinnerungen an unseren schönen Heimatort Gross-Herrlitz. Hrsg, vom Verein für Heimatpflege e. V., Deisenhofen 1988. Ebenda, S. 40-43, auch eine kurze, von K. Plischka verfasste Übersicht über die Geschichte der Bellegarde, die aber ohne Quellen- und Literaturbelege und mit einigen Detailfehlem behaftet ist. 35 Zur langfristigen Rolle der Habsburger in Italien siehe die Literaturstudie von Benedikt, Heinrich: Kaiseradler über dem Apennin. Die Österreicher in Italien 1700-1866, Wien/München 1964. 36 Ebenda, S. 139 f. 37 LVVA 1 100, ap. 14, lietas 101, 102 (mit einigen späteren Dokumenten) und 103. 326

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