Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Riemergesellen, verstärkt durch neu aufgenommene Handwerker, die anfallenden Reparaturarbeiten erledigen würden; von Fall zu Fall wolle man aber auch in Zukunft an die bisher für den Hof tätigen bürgerlichen Meister Aufträge vergeben. Diese fühlten sich ungerecht behandelt und wollten nicht akzeptieren, dass ihnen ab sofort ein bedeutender Teil ihrer Arbeit entzogen wurde. Darüber hinaus fürchteten sie um ihren guten Ruf und dass auch Adelige und Bürger, die sie bisher zu ihren Kunden zählten, sich den Hof zum Beispiel nehmen und Fahrzeuge in Eigenregie herstellen könnten. Gemeinsam baten deshalb mehrere bürgerliche Meister den Kaiser, ihnen auch hinkünftig die bislang zugeteilten Hofarbeiten zu belassen.63 Auch die Innungen der bürgerlichen Schmiede und Wagner Wiens intervenierten bei Franz I. Sie appellierten an ihn, die Reform rückgängig zu machen und versicherten, dass die bürgerlichen Schmied- und Wagnermeister imstande seien, billigere, „vollkommenere und geschmackvollere“ Arbeiten als die Gesellen der Hofsattlerei zu verfertigen.64 Das Schreiben blieb ebenso wirkungslos wie das Angebot der ausgebooteten Handwerksleute, die Preistarife zu senken,65 oder ihr Versuch, gewerberechtliche Einwände gegen die Reform geltend zu machen. Die Hofkanzlei stellte fest, es dürfe niemandem verboten werden, Sattler-, Riemer-, Wagner-, Schlosser- und Schmiedearbeiten für den Eigenbedarf durch privat beschäftigte Handwerker herzustellen; die Kompetenzausweitung der Hofsattlerei sei deshalb gesetzeskonform.66 Außerdem wurde daran erinnert, dass mit der Verleihung eines Hofdekrets an bürgerliche Meister kein Anspruch auf Hofarbeiten verbunden sei.67 Noch im Lauf des Monats Februar 1820 erfuhr die Hofsattlerei eine bedeutende personelle Aufstockung. Neben den vier Sattler- und zwei Riemergesellen mit fester Anstellung wurden sukzessive weitere Handwerker als Tagelöhner aufgenommen.68 Des Weiteren wurden der Hofsattlerei zwölf Wagenwäscher und zwei so genannte „Unterläufer“, die verschiedene Hilfsarbeiten verrichteten, zugeteilt. Auch sie hatten den Status von Tagelöhnern. Die hierarchisch der Oberststallmeister­amtskanzlei und dem Equipagen-Inspektor untergeordnete Hofsattlerei wurde nun von dem zum Obergesellen beförderten Sattler Wenzel Schwertner geleitet. Unter Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof 63 Johann Paula, Jacob Hell, Adam Martiny, Katharina Stübler, Franz Bschaidner, Michael Fölsch, Joseph Ullmann, Joseph Winter, Adam Wenz, Caspar Berdold und Jacob Kautzners Witwe an Kaiser Franz L, Wien 1820 April 12, HHStA, OStA, C, 104, ZI. 801 aus 1820, unfol. 64 Vorsteher der Innungen der bürgerlichen Schmied- und Wagnermeister an Kaiser Franz L, Wien 1821 Jänner 28, HHStA, OStA, B, 31, ZI. 597 aus 1821, unfol. 65 Oberststallmeister Trauttmansdorff an die Hofkanzlei, Wien 1820 November 27, HHStA, OStA, B, 29, ZI. 801 aus 1820, unfol. 66 Oberster Kanzler Saurau an das Oberststallmeisteramt, Wien 1820 Dezember 14, HHStA, OStA, B, 30, ZI. 2 012 aus 1820, unfol. 67 Oberststallmeister Trauttmansdorff an die Hofkanzlei, Wien 1820 November 27, HHStA, OStA, B, 29, ZI. 801 aus 1820, unfol. 68 Vgl. Döberl : Die Kutschen der Kaiser, S. 166-179. 129

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