Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)
ORTLIEB, Eva: Die „Alten Prager Akten“ im Rahmen der Neuerschließung der Akten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien
Eva Ortlieb das Archiv durch eine Vielzahl von Findbüchern, die in der Regel nach den Namen der Kläger bzw. Antragsteller, chronologisch (Protokolle) oder nach Sachbegriffen (Verfassungsakten) angelegt wurden und meist auf das 18. und 19. Jahrhundert zurückgehen. Da nur in einzelnen Fällen Zettelkarteien mit Orts- und Personennamen, moderne Sachindices überhaupt nicht existieren, lassen sich einigermaßen rasch nur Verfahren bestimmter Kläger bzw. Antragsteller auffinden. Nahezu durchgehend fehlen Hinweise auf Umfang und Inhalt der betreffenden Akten. Insbesondere für auf vergleichsweise seltene Quellen wie Zeichnungen12 oder Karten13 angewiesene Forschungen muss das Archiv des RHR derzeit als eine zwar vermutlich wichtige, in der Praxis jedoch kaum systematisch zu benutzende Materialsammlung gelten. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre konkretisierten sich Überlegungen, der Reichshofrats- bzw. auf reichshoffätliches Material angewiesenen Forschung durch die Verbesserung des Zugangs zu den Akten neue Impulse zu geben.14 Die Geschichte der Erforschung des RKG hat gezeigt, wie sehr eine gründliche Erschließung der Quellen die wissenschaftliche Arbeit zu fördern in der Lage ist. Parallel zu der in den 1980er Jahren einsetzenden Publikation der ersten, im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Großprojekts erstellten Akteninventare wuchs die Zahl der einschlägigen Studien, die sich den verschiedensten Aspekten der reichskammergerichtlichen Tätigkeit widmeten. Da der RHR in seiner Bedeutung dem RKG in nichts nachstand und auch der erhaltene schriftliche Niederschlag der Tätigkeit beider Gerichte vergleichbar sein dürfte,15 sind ähnliche Fortschritte auch von einer des Mainzer Reichserzkanzler-Archivs im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. Hrsg, von Editha Bucher. Koblenz 1990 (Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 54), S. 123- 126. 12 Vgl. etwa die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schandbilder: Lentz, Matthias: Schmähbriefe und Schandbilder. Realität, Fiktionalität und Visualität spätmittelalterlicher Normenkonflikte. In: Bilder, Texte, Rituale. Wirklichkeitsbezug und Wirklichkeitskonstruktion politisch-rechtlicher Kommunikationsmedien in Stadt- und Adelsgesellschaften des späten Mittelalters. Hrsg, von Klaus Schreiner und Gabriela Signori. Berlin 2000, S. 35-67. Vor kurzem wurde ein weiteres derartiges Schandbild im Reichshofratsarchiv wiederentdeckt: Anhalt contra Braunschweig-Lüneburg (1553): RHR, Decisa 141. 13 Für die Akten des RKG vgl. Recker, Gabriele: Prozeßkarten in den Reichskammergerichtsakten. Ein methodischer Beitrag zur Erschließung und Auswertung einer Quellengattung. In: Prozeßakten als Quelle. Hrsg, von Anette Baumann u. a. Köln, Weimar, Wien 2001 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 37), S. 165-182. 14 Sellert: Projekt (wie Anm. 3). 15 Die Anzahl der überlieferten Judicialia des RHR wird auf ca. 70 000 geschätzt: Auer: Archiv (wie Anm. 8), S. 118. Prozessakten des RKG dürften sich etwa 80 000 erhalten haben: Baumann, Anette: 596