Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)

FISCHER, Robert Tarek: Ballhausplatz und Davidstern. Die k. u. k. Diplomatie und die österreichisch-ungarischen Juden Palästinas in der Krisenzeit des Ersten Weltkrieges 1914–1918

Robert Tarek Fischer als auch die Verteilung der Lebensmittel wurden von nun an unter der persönlichen Leitung von Friedrich Kraus durchgeführt. Gesamt gesehen ist festzuhalten, dass die Finanzhilfe Österreich-Ungarns für die Juden Palästinas trotz aller Schwierigkeiten, die der Erste Weltkrieg für die Bevölkerung der Monarchie im Allgemeinen mit sich brachte, bis weit in das Jahr 1918 hinein aufrecht blieb und zu einer - auch im internationalen Vergleich gesehen - stattlichen Dimension anwuchs: Hinsichtlich der Spendentätigkeit für Palästina im Ersten Weltkrieg lag die Donaumonarchie an zweiter Stelle nach den Vereinigten Staaten.49 50 Der konstante Spendenfluss rekrutierte sich zum Einen aus der Tätigkeit der zu Beginn des Krieges gegründeten jüdischen Palästina-Organisationen, so brachte die Wiener ,Hilfskommission 1915 für Palästina’ bis zum Februar 1917 rund 400 000 Kronen an Sammelgeldern auf.30 Die Kuratoren der acht jüdischen Gemeinden, denen Konsul Friedrich Kraus das Hauptverdienst für die Aufrechterhaltung des Spendenflusses zuschrieb,51 dürften die Leistung der ,Hilfskommission’ noch deutlich übertroffen haben; Rabbiner David Schreiber etwa, der Kurator der galizischen Gemeinde, übermittelte der Zahlstelle des Ballhausplatzes allein zwischen April und August 1916 170 000 Kronen. Beachtlich war letztlich auch die Hilfe, die der Staat den Gemeinden in Palästina zukommen ließ. Neben den Beträgen, die das k. u. k. Ministerium des Äußern zuweilen den jüdischen Sammelaktionen beisteuerte, sollte sich die Bereitschaft des Staates, als letzte Rückfallposition einzuspringen und in dieser Funktion auch finanzielle Unterstützung zu leisten, gerade im letzten Kriegsjahr für viele österreichisch-ungarische Juden als entscheidend erweisen (siehe Kapitel 9). 5. Expansive Palästina-Projekte des Ballhausplatzes Die Schutzpolitik des k. u. k. Ministeriums des Äußern konzentrierte sich während des Krieges nicht nur auf das Bemühen, den 9 000 österreichisch-ungarischen Juden in Palästina Hilfe zukommen zu lassen, sondern verfolgte auch weiterreichende Ziele, die auf eine Stärkung der Monarchie in Palästina bzw. auf eine expansiv orientierte Wirtschaftspolitik hinausliefen. Sowohl Deutschland als auch Österreich-Ungarn strebten angesichts der sich seit Herbst 1915 einstellenden militärischen Erfolge im Südosten (Sieg der Zentralmächte über Serbien und Herstellung der Landverbindung 49 E1 i a v : Das österreichische Konsulat in Jerusalem und die jüdische Bevölkerung, S. 70. 50 HHStA, PA XII 378, Mappe g, fol. 3, Max Grunwald an k. u. k. Ministerium des Äußern, Wien 1917 Februar 2. 31 HHStA, PA XII 377, Liasse XLIl/2a, fol. 25, Kraus an k. u. k. Ministerium des Äußern, Jerusalem 1917 März 21. 318

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