Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium

AUGUSTYNOWICZ, Christoph: „Ablegations-negocien von keiner erhöblichkeit“? – Wirken und Wirkung der Moskauer Großgesandtschaft in Wien 1687

„Ablegations-negocien von keiner, erhöbtichkeit“? Die Ergebnisse der hier geschilderten Moskauer diplomatischen Initiative der Jah­re 1686 und 1687 sind letztlich ambivalent einzuschätzen. Was die Moskauer Seite in den Wiener Verhandlungen mit militärischer Koordination meinte, wurde 1687 endgültig klar: Golicyn leitete 1687 persönlich den ersten Krim-Feldzug82, der je­doch ein militärischer Misserfolg wurde. In der Folge geriet die neu orientierte Moskauer Außenpolitik ab 1688 in Isolation: Wie die Moskauer Gesandten bereits 1687 befürchtet hatten, zeigte der Kaiser nach der Einnahme Belgrads durch seine Streitkräfte Interesse an einem Frieden mit Konstantinopel. Auch Polen-Litauen öffnete sich einer Verständigung mit der Hohen Pforte. Golicyn, der den Politikern der Rzeczpospolita permanente Verstöße gegen die vertraglichen Vereinbarungen von 1686 vorwarf, fühlte selbst in Konstantinopel wegen diplomatischer Kontakte vor.83 Trotz der Flut von Moskauer Gesandtschaften nach dem Westen konnten letztlich weder Golicyn noch die Vertreter der Heiligen Liga Paris, Madrid, London, Berlin, Florenz, Amsterdam, Kopenhagen oder Stockholm für eine Zusammenarbeit ge­winnen.84 Der viertgereihte Gesandte Ivan Volkov reiste nach der Wien-Mission weiter nach Venedig, um dort über den Friedensschluss von Moskau zu informieren und wegen eines Bündnisses gegen das Osmanische Reich vorzufühlen; auch er stieß auf Indifferenz und ausweichende Antworten.85 Um Ansehen im Westen hatten Moskauer Gesandte wegen ihres schlechten Rufes noch lange zu ringen: Ludwig XIV. verhielt sich gegenüber der Gesandtschaft sehr abweisend. Ihre Ankunft in Frankreich war - wohl nicht zuletzt als antikaiserliche und somit antihabsburgische Propaganda - von antimoskauischen Publikationen begleitet gewesen. Auch in Spanien, für die Moskauer Diplomatie ebenfalls eher Neuland86, war die Reaktion nicht die beste. In den Beziehungen zu Schweden waren mittelfristig sogar ausge­sprochene Rückschritte zu beobachten: Nach 1689 wurde das Verhältnis wieder gespannter, in den Verhandlungen traten erneut Probleme wegen des Handels und der Herrschertitel in den Vordergrund.87 Die Gesamtkosten für die Moskauer Ge­sandtschaft in Wien machten 86 034 Gulden 27 Kreuzern aus. Es ist nicht verwun­82 Hughes: Golitsyn. S. 48-68, behandelt die Zeit der beiden Krim-Feldzüge relativ ausführlich als Wendepunkt in Golicyns Karriere; ausführlich zu den Krim-Feldzügen Ustrjalov: Istorija. S. 346-397, zu Diskussionen der Historiographie der Krim-Feldzüge vgl. Wittram: Peter I. 1. S. 76-77; vor allem zur sowjetischen Forschung Hughes: Sophia. S. 201-204; allgemein zur russi­schen Forschung und zu den Krim-Feldzügen unter dem Aspekt interner sozialer Spannungen und Machtkämpfe im Moskauer Staat siehe Lavrov, A.S.: Regentstvo carevny Sofii Alekseevny. Slu- ziloe obscestvo i borira za vlast' v verchach Russkogo gosudarstva v 1682-1689 gg. Moskva 1999, S. 138-156. 83 Siehe dazu Babuskina: Znacenie. S. 167-169; Kaminski: Republic. S. 216-217, 229-231. 84 Zernack: Studien. S. 138. 85 Abreisedatum der Gesandten nach HHStA Wien, ZA-Prot. 4, 215r; zur Mission Volkovs siehe O'Brien: Two tsars. S. 104. 86 Vgl. Fn. 4. Hughes: Sophia. S. 196; Babuskina: Znacenie. S. 165; zu Schweden siehe Zernack : Stu­dien. S. 143-144. 61

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