Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
ZENČEV, Vladimir: Der Beginn der russisch-österreichischen Beziehungen
DER BEGINN DER RUSSISCH-ÖSTERREICHISCHEN BEZIEHUNGEN V. G. ZencEV Am 30. Jänner 1489 kam Nikolaus Poppel als Gesandter des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, Friedrich III., zum Großfürsten Ivan III. nach Moskau. Er verhandelte über die Aufnahme von freundschaftlichen Beziehungen, mögliche Eheschließungen der Töchter des Moskauer Großfürsten mit den Neffen des Kaisers, dem Kürfürsten von Sachsen oder Markgrafen von Brandenburg und schlug Ivan III. vor, vom Kaiser den Königstitel zu erhalten. Das ist die erste in den russischen Archiven erhaltene Erwähnung von offiziellen Kontakten des österreichischen Kaiserhofs mit dem Hof des Moskauer Großfürsten. Wie jedoch der bekannte russische Archivar und Historiker Nikolaj N. Bantys- Kamenskij anmerkte, begannen ihre Kontakte nicht in diesem Moment, sondern „die Verbindung einer freundschaftlichen gegenseitigen Beziehung zwischen diesen hohen Höfen existierte bereits seit alters her“.' Davon zeugt auch die Ernsthaftigkeit der gestellten Fragen, welche nur sich gegenseitig achtende und an einer Annäherung interessierte Parteien erörtern konnten. Nach der Eingliederung einer Reihe von russischen Fürstentümern durch Moskau und der Beseitigung der letzten Reste seiner Abhängigkeit von der Goldenen Horde erstarkte der Moskauer Staat rasch und sein Gewicht in den internationalen Angelegenheiten jener Zeit nahm zu. Andererseits richtete Europa ein immer größeres Augenmerk auf das erstarkende neue Land. Das Habsburgerimperium konnte die Vorteile richtig einschätzen, welche eine Entwicklung von freundschaftlichen Beziehungen mit dem Russischen Staat unter den konkreten Bedingungen jener Zeit aber auch in der Zukunftsperspektive haben würde. Dabei dachte man an die gemeinsamen langfristigen Interessen in folgenden Bereichen: die Politik gegenüber Polen und Litauen, der Kampf gegen die Expansion des Osmanischen Reichs und seiner Verbündeten, der Krimchane, das gegenseitige Interesse an stabilen Handelsbeziehungen und die Anwendung von Kenntnissen und Erfahrungen europäischer Spezialisten in Russland. Dies waren neben den periodisch auftauchenden Fragen hinsichtlich des Baltikums (Livland) und Schwedens im Laufe von zwei Jahrhunderten die bestimmenden Schwerpunkte in den Beziehungen zwischen dem Reich sowie seinen einzelnen Bestandteilen und Moskau. Es sei hier auch die historische Besonderheit hervorgehoben, dass Russland ' Bantys-Kamenskij, Nikolaj N.: Obzor vneänich snosenij Rossii (po 1800 god). C. 1. - SPb, 1984. S. 1. [Überblick über die Außenbeziehungen Russlands (bis zum Jahr 1800)]. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50/2003 19