Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 49. (2001) - Quellen zur Militärgeschichte – 200 Jahre Kriegsarchiv

HILLBRAND, Erich: Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausendwende

Erich Hillbrand In diese schwere Zeit fallt allerdings auch Erfreuliches. Im August 1946 kam mit dem Kapitel des Militär-Maria-Theresien-Ordens ein Vertrag zu Stande, gemäß welchem die schon beim Kriegsarchiv hinterlegten Ordensakten diesem auch rechtlich einverleibt werden sollten. So wurden die Akten samt einer beim Ordens­kapitel erwachsenen Bildersammlung im Verband der Feldakten vorerst in treu­händige Verwahrung genommen, bis sie mit der Auflösung des Ordens, die mit dem Tod des legendären Marinefliegers Gottfried Freiherrn von Banfield eintrat'9, in das Eigentum des Archivs übergehen sollten.40 Bis dahin stand dem Ordenskapi­tel im Archiv ein Zimmer für die Führung der Geschäfte zur Verfügung. Im Jahre 1947 endlich konnte Regele gleich den anderen relegierten Bediensteten die ihm übertragene Funktion wieder aufnehmen, das Archiv sich in der Folge den Benützem öffnen und die Beamten sich auch wieder wissenschaftlichen Aufgaben widmen.41 Allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Die offizielle Militär­geschichtsschreibung des Archivs fand keine Fortsetzung mehr. Sie war mit dem 1938 erfolgten Erscheinen des letzten Bandes des umfangreichen Weltkriegswerkes endgültig zu Ende gegangen.42 Die künftigen reichen wissenschaftlichen Aktivitä­ten der Beamten des Hauses galten und gelten seither mehr oder minder als Pri­vatarbeiten, obwohl die Vorgesetzte Dienststelle von den Akademikern solche Ak­tivitäten auch erwartet. Als einzige offizielle Gemeinschaftsarbeit des Archivs kann nur das 1953 im Druck erschienene Inventar gelten, womit Beamten und Benützem ein Hilfsmittel an die Hand gegeben ist.4' Zur selben Zeit fanden umfangreiche Skartiemngen statt, beider setzte Oskar Regele für diese Aufgabe, die man normalerweise nur den erfahrensten Archivaren überträgt, archivfremde und mit Archivarbeit absolut nicht vertraute Personen ein.44 Das während der Jahre 1952-1955 ausgeschiedene Material umfasste über 20 Ton­nen, das entspricht laut Jahresbericht mehr als 4.000 Faszikeln.45 Dadurch erlitt das Kriegsarchiv unwiederbringliche Verluste an wertvollem Quellenmaterial. w Gottfried Freiherr von Banfield: * Castelnuovo (Istrien, heute Kroatien) 6.9.1890, + Triest. 23.9.1986. Er starb als letzter Träger dieser höchsten militärischen Auszeichnung der Habsbur­germonarchie. 4,1 Trotz des Vertrages von 1946 blieb die Rechtslage bis in die Gegenwart ungeklärt. 41 AdR, BKA, ZI. 23218-1/47; KA, Reg. ZI. 1206/47. 42 Österreich-Ungarns letzter Krieg. Bd. 1 - 7 (mit 7 Beilagenbänden und Registerband). Wien 1931-1938. 4' Inventar des Kriegsarchivs. Zur österreichischen Militärgeschichtsschreibung vgl. neuerdings die Gesamtdarstellung von Broucek, Peter Peball, Kurt: Geschichte der österreichischen Mili­tärhistoriographie. Köln-Weimar-Wien 2000. 44 Es handelte sich dabei um mit Werkverträgen verpflichtete ehemalige Offiziere. KA. Reg. ZI. 3937/52, 4647/53, 4176/54, 22044/55. 45 Ebenda, ZI. 3937/52, 4647/53, 4176/54, 22044/55. Santifallers Bedenken gegenüber Regeles Bestellung hatten sich demnach als nicht ganz unbegründet erwiesen. 48

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