Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

ERDÉLYI, Gabriella: Diskurs über die ungarische Statthalterei. Gesichtspunkte zur Untersuchung des Verhältnisses zwischen Ferdinand I. und der ungarischen politischen Elite

Gabriella Erdélyi Erklärung Thurzós im März 1528, zur Zeit der Organisierung der ungarischen zen­tralen Regierungsorgane, dass er das Land niemals verlassen werde, es sei denn, er werde von hier verjagt.’3 Getreu spiegelt sich das Ausgeliefertsein der in ihrer Hei­mat als allmächtige Herren lebenden ungarischen Aristokraten in der Fremde wi­der, als es Jahre später aus Thurzó hervorbricht: Er habe den König gebeten, ihn nicht dazu zu zwingen, in Wien gewisse Rechte zu verteidigen, wo doch dort nur mit ihm gespielt würde.33 34 Dass die führende ungarische politische Garde neben Ferdinand sich nicht in der Nähe des Herrschers aufhalten wollte, bedeutet aber nicht, dass sie nicht die Be­deutung und die sich darin bergenden Möglichkeiten wahrgenommen hätten. Das wird auch dadurch angezeigt, dass viele von ihnen ihre Söhne, Neffen und jugend­lichen Verwandten an den königlichen Hof schickten, damit sich diese im Dienst um die Person des Königs das für den persönlichen Erfolg notwendige sprachliche Wissen und Benehmen aneignen, sich ein System von Kontakten aufbauen und sie den Herrscher auf sich aufmerksam machen sollten.35 Thurzó war einer der Ersten, der das erkannt hatte und seinen Neffen an den Hof schickte, um die für sein frühe­res Verhältnis mit dem König charakteristischen Schwierigkeiten zu umgehen.36 Es scheint also, dass sich ein Großteil des in Prag wahrzunehmenden Misstrauens in der Beziehung zwischen Thurzó und Ferdinand daraus ergab, dass sie sich ge­genseitig nicht kannten, was durch die ungünstigen Bedingungen (Abwesenheit des Herrschers, abweichende politische Traditionen, fremder königlicher Hof) verur­sacht worden war. Woraus sich wiederum ergibt, dass dadurch nicht nur ihrer bei­der Verhältnis, sondern allgemein genommen das Verhältnis zwischen dem Habs­33 Thurzó an Franz Batthyány, 4. März 1528, MOL P 1314 Családi Levéltárak, A herceg Batthyány család levéltára (Familienarchive, Archiv der Familie Fürst Batthyány) Missiles Nr. 50468. 34 „nam coram dominis bellicis Wiennae unquam ego ius meum consequi potero, ludus sit istic de me“, Thurzó an Ferdinand, 1. November 1531, HHStA, UA AA, Fasz. 19, Konv. A. 1531. XI, fol. 1-2. 35 Obige Feststellung beruht auf den Ergebnissen meiner Forschungen in den Hofstaatverzeichnissen des HHStA (Obersthofmeisteramt, Sonderreihe, 181, 182, 183). Fellner und Kretschmayr nämlich (siehe Anm. 14) erachteten es nur für wichtig, die Namen der Beamten der Zentral Verwaltung und deren Unterstellte beziehungsweise teilweise auch die der obersten Hofbeamten zu veröffentli­chen, aber die Namen der unteren Beamten, die der Hofhaltung um die Person des Herrschers dienten und verantwortlich dafür waren, darunter die Kämmerer, Mundschenks, Truchsesse und andere Diener, unter denen sich auch junge Ungarn befanden, teilen sie nicht mit. Die Frage der um die Person Ferdinands I. dienenden ungarischen Höflinge bildet das Thema einer anderen Ar­beit. Hier sei nur soviel bemerkt, daß die jungen Verwandten der politischen Elite aus den dreißi­ger und vierziger Jahren erstmals in den vierziger und fünfziger Jahre in größerer Zahl (10 bis 20 Personen) zugegen sind: ln den Verzeichnissen kommen unter anderen die Namen: Erdödy, Pempfflinger, Thurzó, Perényi, Báthori, Karlovics, Makedónjai, Ország, Török, Székely und Újlaky vor. 36 Bernhard Thurzó wird seit 1539 als Truchseß am Hofe Ferdinands geführt. HHStA, Obersthofmei­steramt, Sonderreihe, 181/16. 108

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