Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

RAUSCHER, Peter – STAUDINGER, Barbara: Der Staat in der frühen Neuzeit. Überlegungen und Fragen zu aktuellen Neuerscheinungen der deutschen Geschichtswissenschaften

dient werden wird. Auffällig oft wurde in den letzten Jahren Probleme des Schrei­bens von „europäischer Geschichte“ diskutiert.37 Eine historische Beschreibung relativ moderner geographischer Einheiten, wie sie auch „Europa“ darstellt, zwingt immer zur Definition. Die räumlichen Grenzen „Europas“ in der frühen Neuzeit werden dabei von beiden Autoren übereinstim­mend gesetzt. Diese sind nach Reinhard in Bezug auf „das Wachstum der Staats­gewalt entscheidenden Machtbildungsprozesse [...] zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert“ zwischen der lateinischen Christenheit und der „griechisch­slawischen Kultur“ (Osmanisches Reich, Russland, Serbien) zu ziehen (S. 20). Schilling sieht das ähnlich, bezieht aber, schon allein um das Fehlen dieser Räume in anderen Handbüchern auszugleichen, zumindest das Osmanische Reich, dessen „Teilhabe an der europäischen Neuzeit“ durch Kriege einerseits und Handels- und Kulturkontakte andererseits geprägt war, ansonsten aber, weil auf andere kulturelle Wurzeln zurückgreifend nicht zum Europa der Neuzeit gehörte, und Russland in seine Gesamtdarstellung mit ein. Hier zeigt sich ganz deutlich die allen Untersu­chungen zur „europäischen“ (wie im Übrigen auch nationalen) Geschichte inne­wohnende Problematik, dass nämlich „Europa“, soll dieser Begriff für die histori­sche Forschung überhaupt einen Sinn machen, im Grunde nicht als geographische, sondern als eine politisch-kulturelle Entität darzustellen ist, deren Geographie sich im Laufe der Zeit ständig änderte und im Sinne des transnationalen Einigungspro­zesses ja noch ändert. 5. „Europäische Universalgeschichte“ [D]ie Herausbildung der neuzeitlichen Morphologie Europas, geprägt durch eine Vielstaatlichkeit, die in der frühen Neuzeit überwiegend noch keine Nationalstaaten­gliederung war, darzustellen als eines der wesentlichen Strukturmerkmale im neuzeitli­chen Profil des Kontinents und seiner historisch-politischen Kultur. (S. 10), ist der Anspruch des Buchs von Heinz Schilling. Die Geschichte der einzelnen Staaten stehen daher im Vordergrund, während übergreifende Strukturen und Pro­zesse (Wirtschaft und Bevölkerung, Geistes- und Bildungsgeschichte, Staatsbil­dung und Religionsgeschichte) an zweite Stelle rücken, ohne dass diese jedoch vernachlässigt werden. Das heutige Europa bildete für Schilling in „der neuen Zeit“ keine Einheit. Viel­mehr wird innerhalb des lateinisch-christlichen Europa zwischen dem „Alteuropa“ des Mittelalters (inklusive Spanien) und dem noch nicht so lange in diesen Tradi­tionen verwurzelten „Neueuropa“ (Osteuropa, Skandinavien) unterschieden, wäh­rend die Besitzungen des Osmanischen Reiches auf dem europäischen Kontinent 37 Vgl. „Europäische Geschichte“ als historiographisches Problem, hrsg. von Heinz Duchhardt, Andreas Kurz, Mainz 1997 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte. Beiheft 42), siehe hier v. a. B1 i c k I e, Peter: Praktisch auf dem Weg zu einer europäischen Historiographie, ln: ebenda, S. 183-189. 420 Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48/2000 - Rezensionen

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