Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

PASETZKY, Gilda: Zwei Wiener Jakobiner und ihre Reise nach Frankreich

Gilda Pasetzky Kompositionen, Gedichte und Aufrufe sowie die Konstruktion der Kriegsmaschine - oder das bloße Wissen davon - wurden ihnen zur Last gelegt und als Beweise ihrer Schuld gewertet. Gilovsky, der die Idee gehabt hatte, ein Modell dieser Ma­schine zu bauen, beging noch während der Voruntersuchung in seiner Zelle Selbstmord. Der Tote wurde „posthum“ schuldig gesprochen,56 und die Polizei zögerte nicht, eine öffentliche Hinrichtung an seinem Leichnam vorzunehmen. Hebenstreit wurde, da die Todesstrafe nur für Zivilpersonen abgeschafft war, zum Tode verurteilt und am 8. Jänner 1795 hingerichtet.57 Auch Andreas Riedel musste, obwohl er von der Reise nicht einmal erfahren hatte (er befand sich zu dieser Zeit in Deutschland),58 sein Engagement für den Frieden teuer bezahlen: er wurde, wie auch die meisten der anderen Angeklagten, zu langjähriger Festungshaft verurteilt - ein Urteil, das auf Grund der Bedingungen in den Kerkern und der Grausamkeiten, die die Gefangenen dort erdulden mussten, oft den Tod bedeutete.59 Mit dieser bedrückenden Stelle schließt die Geschichte der Mission Heids und Denkmanns und der Versuch, das Ziel, das die Wiener Jakobiner damit erstrebten, zu erklären. Doch im Hinblick auf das Vorgehen des Staates, seiner Justiz und Polizei sind noch einige Fragen zu stellen: Warum diese Ungleichheit vor dem Gesetz? Soltyk, der die Reise finanziert hatte und den Auftrag gegeben hatte, mit den offiziellen Stellen in Paris Kontakt aufzunehmen,60 wurde nicht einmal ange­klagt, Hebenstreit jedoch, weil er seine Erfindung weiterzugeben bereit war, zum Tode verurteilt. - Dasselbe gilt für Gilovsky und andere Angeklagte, deren einzige Schuld es war, „Mitwisser“ gewesen zu sein und ihre Freunde nicht denunziert zu haben. Warum also dieser Prozess und die grausamen Urteile? War das Kaiserreich durch die Wiener Jakobiner wirklich in Gefahr? Beginnen wir mit der letzten Frage. Alles bisher Dargelegte beweist, wie es auch schon Wangermann zeigte, dass diese Männer weder die Absicht noch die Mittel hatten, eine Revolution in Österreich ausbrechen zu lassen. Warum dann diese Hochverratsprozesse? Eine mögliche Antwort wäre: weil die Polizei und der Kaiser 56 Wangermann: Joseph, 2. Auf!.1969 (siehe Anm. 2), S. 170. Ich danke Herrn Professor Wangermann, der mich auf diese Tatsache hingewiesen hat. 57 Ebenda. 58 Riedel war schon im April von Wien Richtung Stuttgart abgereist und kehrte nicht vor Juni zurück. HHStA, VA 3, (alt 2-3) Verhörsprotokoll Hebenstreit (siehe Anm. 26), fol. 976 und ebenda, VA 9 (alt 8), Nachtrag [zu Riedels Aussage] fol. 407. 59 Über die Zustände in den Kerkern siehe z.B. Wangermann: Joseph, 2. Aufl. 1969 (siehe Anm. 2), S. 171, n. 4; Körner: Die Wiener Jakobiner (siehe Anm. 17), S. 259, n. 34; Pasetzky, Gilda: Hieronymus von Colloredo und Francois Colombot. Zwei Gefangenenschicksale zur Zeit der Revolutionskriege, ln: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46 (1998), S. 225-267, hier S. 260 und ebenda, Bd. 47 (1999), S. 337 f. 60 HHStA, VA 3 (alt 2-3), Verhörsprotokoll Hebenstreits, fol. 1003 (siehe Anm. 23). 360

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