Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

PASETZKY, Gilda: Zwei Wiener Jakobiner und ihre Reise nach Frankreich

Gilda Pasetzky den Alltag, und aus der Angst vor dem Krieg entstand der Wunsch nach einem baldigen Frieden. Die Ablehnung des Krieges musste daher viel allgemeiner und verbreiteter sein als die Angst vor einer eventuellen Ausbreitung der Revolution (unter deren Vorwand ja der Krieg geführt wurde) - auch wenn eine solche durch­aus existierte, jedoch in einer anderen Schicht. Auf Grund dieser Tatsachen muss auch das im Folgenden Dargelegte vor dem Hintergrund des Krieges und der gegen denselben entstandenen Opposition betrachtet werden. Im Frühjahr 1794, während des ersten Koalitionskrieges und am Höhepunkt der Terreur in Frankreich, trafen zwei Deutsche in Paris ein. Ausgangspunkt ihrer Rei­se war Wien gewesen. Der eine der beiden, Karl Traugott Held, war protestanti­scher Prediger und stammte aus Sachsen, der andere, aus Braunschweig gebürtig, war ein junger Arzt namens Karl Denkmann. Die zwei Männer stellten sich dem Wohlfahrtsausschuß als Mitglieder einer Wiener societé populaire vor und ver­standen sich als Träger einer Mission von höchster Wichtigkeit, die zugleich Öster­reich, Polen und Frankreich betraf. Nichtsdestoweniger wurden sie bald darauf festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Obwohl ihre gefährliche Reise nach Paris schon durch verschiedene Publikatio­nen bekannt ist,2 wurde nie gänzlich geklärt, für wen und wozu sie diese unter­nommen hatten. Das Folgende stellt den Versuch dar, diese Fragen zu beantworten — das heißt, zu erklären, was das Ziel dieser Mission war, für welche sie ihr Leben riskierten. Um der Komplexität dieses Themas gerecht zu werden, ist es notwendig, die ein­zelnen Handlungsstränge zu trennen und die verschiedenen Abläufe, gegliedert nach Ländern und Personen, zu betrachten. Am Beginn steht Polen mit dem Auf­trag- und Geldgeber dieser Reise, Stanislas Soltyk; es folgt Österreich, und - stell­vertretend für alle Wiener Jakobiner - Franz von Hebenstreit und Baron von Rie­del; der dritte Abschnitt begleitet Held und Denkmann ans Ziel ihrer Mission, Frankreich. 2 Wangermann, Emst: From Joseph II to the Jacobin Trials. London 1959; 2. Aufl. 1969. Deut­sche Fassung: Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen. Wien 1966. Silagi, Denis: Jakobiner in der Habsburgermonarchie. Ein Beitrag zur Geschichte des aufgeklärten Absolutismus in Öster­reich. Wien 1962 (Wiener Historische Studien 4). Die meisten anderen Publikationen zu diesem Thema beschränken sich größtenteils darauf, deren Resultate wiederzugeben, z. B.: Reinalter, Helmut: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. Wien 1980, S. 244; Derselbe: Der Jako­binismus in Mitteleuropa. Eine Einführung. Stuttgart 1981, S. 66f.; Derselbe: Österreich und die Französische Revolution. Wien 1988, S. 54; Derselbe: (Hrsg.) Lexikon zu Demokratie und Liberalismus 1750-1848. Frankfurt/M. 1993, S. 141; Derselbe: Die Reise Heids und Denk­manns nach Paris 1794. In: Aufklärung-Vormärz-Revolution, hrsg. von Helmut Reinalter. Frank­furt a. Main 1997 (Jahrbuch der „Internationalen Forschungsstelle Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770-1850“ 13/14/15 Jg. 1993/1995), S. 45-48. 348

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