Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

GRÖBL, Lydia – HÖDL, Sabine – STAUDINGER, Barbara: Steuern, Privilegien und Konflikte. Rechtsstellung und Handlungsspielräume der Wiener Juden von 1620 bis 1640. Quellen zur jüdischen Geschichte aus den Beständen des Österreichischen Staatsarchivs

Steuern, Privilegien und Konflikte und ein geregeltes und gesichertes Gemeindeleben fuhren konnten, trotzdem aber weiterhin umfangreiche berufliche und wirtschaftliche Möglichkeiten in der Stadt hatten. Ausbau der Rechtsbefugnisse Anfang September 1632 brachten die Vertreter der jüdischen Gemeinde ihre Bitte beim Kaiser vor, im Ghetto ein Gefängnis einrichten zu dürfen. Als Begrün­dung hierfür wurde die Notwendigkeit von Sanktionsmitteln gegen Juden, die ihren Steueranteil nicht zahlen wollten, angegeben. Den Juden Wiens war der Auftrag erteilt worden, mit den auf dem Land lebenden Juden wegen der jährlich fälligen Kontribution von 10 000 fl. über die Aufteilung dieses Geldes zu verhandeln und die zu zahlenden Raten festzulegen.142 Nachdem vom Obersthofmarschall ein Gutachten in dieser Frage eingefordert worden war und er sich für die Erlaubnis, ein Gefängnis im Ghetto einzurichten, aussprach, wohl auch, damit er selbst mit den internen Streitigkeiten der Juden in Zivilsachen nicht belastet würde,143 erging im November 1632 ein kaiserliches Patent in dieser Angelegenheit. Ferdinand II. betonte nachdrücklich, dass sich alle Juden im Land an der Bezahlung der jährlich geforderten Kontribution zu beteili­gen hätten und - gleichgültig unter wessen Herrschaft sie wohnten - den Rabbi­nern, Richtern und Ältesten der Wiener Juden ihren Anteil abliefem müssten. Für die Probleme in dieser Sache wie auch alle internen Streitigkeiten einschließlich Konflikten bezüglich der Einhaltung der jüdischen Gesetze und Zeremonien bzw. der Nichteinhaltung von Erlässen des Rabbiners oder der Gemeindevorsteher er­genschaft. Hebräischer Text nebst deutscher Übersetzung. Berlin-Philadelphia o. J. Nachdruck der in Wien 1862 im Verlag von Adalbert della Torre erschienen Ausgabe [mit einer deutschen Über­setzung von Josua Höschel Miro], S. 7 und 9. ln einer anderen Übersetzung lautet derselbe Ab­schnitt: „Zu meiner Zeit hatte der damalige Kaiser Erlaubnis erstattet, dass die dort zerstreuten Juden in der Vorstadt, eigene Häuser und eine Synagoge bauen durften Kisch, Guido: Die Megillat Eba in Seligman Kischs Übersetzung, ln: Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte der Juden in der tschechoslowakischen Republik 1 (1929), S. 421-447, hier S. 436, sowie S. 426-434, Informationen zu den verschiedenen Drucken dieses Werks. Pribram: Urkunden (wie Anm. 2), Bd. 1, S. XXXI, sieht die Übersiedlung in den Unteren Werd als einen durchaus erfreulichen Schritt für die Juden. Auch Wolf: Ferdinand II. (wie Anm. 1), S. 16, interpretiert die vorhande­nen Dokumente dahingehend. Räumliche Enge dürfte kein Grund für den Wunsch nach einer Übersiedlung und Absonderung gewesen sein, obwohl Grunwald, Max: Vienna. Philadelphia 1936 (Jewish Community Series), S. 85, zur Wohnsituation in der Stadt meint: „That [die Über­siedlung] would overcome such an existing evil as the crowding into one house of seventeen Je­wish families.“ Diese Aussage ist durch keine Quellenmaterialien zu verifizieren. Möglicherweise handelt es sich um eine Fehlinterpretation. 142 Supplikation der Juden an Ferdinand II., 2. September 1632, in Pribram: Urkunden (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 116 f., Anm. 1. 143 Bericht des Obersthofmarschalls, 30. September 1632, in Pribram: Urkunden (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 118, Anm. 3. 175

Next

/
Oldalképek
Tartalom