Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)

ENDERLE-BURCEL, Gertrude – MÄHNER, Peter – MENTZEL, Walter: Die Ministerratsprotokolle der Regierung Figl I. Ein Editionsprojekt der Österreichischen Gesellschaft für historische Quellenstudien

Die Ministerratsprotokolle der Regierung Figl I Wie aus den Ministerratsprotokollen deutlich hervorgeht, war dieses Ministerium an nahezu allen legislativen Entscheidungsprozessen beteiligt. Die Aktenüberlieferung ist allerdings nicht in allen Bereichen so günstig. So wurden die Bestände des im Februar 1946 eingerichteten Bundesministeriums für Energiewirtschaft und Elektrifizierung nahezu völlig vernichtet. Gerade in den wichtigen Fragen des Aufbaues der Energiewirtschaft und der Elektrizitätsversor­gung (Kraftwerksbau, Organisation der österreichischen Energiewirtschaft, u. a.) bestehen so für die Forschung beträchtliche Lücken.15 Auch im Bundesministerium für Finanzen gibt es nur eine lückenhafte Akten­überlieferung. Biographische Forschung Wie bei der Edition der Kabinettsratsprotokolle der Regierang Renner werden im umfangreichen Ausmaß Recherchen über Personen aus Bürokratie, Parteien, Wirt­schaft und über den alliierten Personalstand in Österreich angestellt werden, die häufig bislang nicht einmal namentlich erfaßt sind. Vor allem im Hinblick auf die Alliierten können Informationen über die personelle Besetzung wichtiger alliierter Dienststellen der Forschung zugänglich gemacht werden, wie insgesamt ein we­sentlicher Beitrag zu der in Österreich kaum vertretenen Elitenforschung im Rah­men der Edition geleistet werden wird. Bei den politischen Eliten zeigt sich eine Rekrutierung aus der Ersten Republik bzw. aus dem Austrofaschismus. Für diese Gruppe war das Jahr 1938 ein Bruch. Die Regierung Figl mit durchschnittlich sieb­zehn Regierangsmitgliedem wies immer zwölf bis vierzehn Politiker auf, die in der NS-Zeit Verfolgung erlitten hatten, wobei sich die Zahl auf ÖVP und SPÖ annä­hernd gleich verteilte. In der Wirtschaft hingegen bieten die Ministerratsprotokolle etliche Beispiele für personelle Kontinuitäten mit durchgehenden Karrieren im Nationalsozialismus. Gerade bei den Wirtschaftseliten sind die Forschungslücken aber besonders groß.16 Teilprojekt Neben der Edition der Ministerratsprotokolle hat sich eine weitere Editionsreihe, die des Wirtschaftlichen Ministerkomitees [WMK], als notwendig erwiesen.17 Diese Edition soll den gesamten Zeitraum der Regierung Figl I, also von 1946 bis 1949 in zwei Bänden abdecken. Das WMK wurde Ende Jänner 1946 per Ministerratsbe­15 Akten zu diesem Themenkomplex befinden sich teilweise in den Beständen des Bundesministeri­um für Land- und Forstwirtschaft und des Handelsministeriums. 16 Zur Elitenforschung in Österreich siehe Enderle-Burcel, Gertrude: Österreichs Eliten in Politik und Verwaltung unter dem Aspekt von Kontinuität und Diskontinuität 1918—1934— 1938— 1945. In: Eric Bussiére - Michel Dumoulin - Alice Teichova (Hrsg ): L’Europe centrale et orien­tale en recherche d’intégration économique (1900-1950). Louvain-la-Neuve 1998, S. 59-76. 17 Das Editionsprojekt ist in Planung, die Finanzierung noch nicht gesichert. 277

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