Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)

STÖGMANN, Arthur: Die Erschließung von Prozeßakten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. Ein Projektzwischenbericht

Arthur Stögmann Akten des Reichskammergerichts zurückzuführen, das 24 Einzelinventare bis zum Jahr 1994 hervorgebracht hat.4 Mit der Einsetzung bzw. Neuorganisation des Reichshofrats [RHR] im Jahr 1559 gab es ein neues Gericht am Kaiserhof, das seit dem späten 16. Jahrhundert zu­nehmend an Bedeutung gewann, bis es im 18. Jahrhundert das Reichskammerge­richt überflügelte und den höchsten Stand seiner Bedeutung erreichte. Oft wurde in diesem Zusammenhang behauptet, daß der Reichshofrat schon wegen seiner engen Verbundenheit mit dem Kaiser das „vornehmere“ Gericht gewesen sei.5 In jüngerer Zeit war es etwa der deutsche Historiker Peter Moraw, der dem Reichshofrat infolge größerer Nähe zum Herrscher und seiner weitgespannteren Tätigkeit - neben den judiziellen nahm der Reichshofrat in der gesamten Zeit sei­nes Bestehens vielfältige Regierungs- und Beratungsaufgaben am kaiserlichen Hof wahr6 - mehr Gewicht beimaß als dem Reichskammergericht.7 Einige knappe Bemerkungen sollen diese Bedeutung des Reichshofrats unter­streichen. Prinzipiell war es jedem Kläger überlassen, ob er vor diesem oder jenem Reichsgericht mit einer Klage vorstellig werden wollte. In diesem Zusammenhang fallt zuallererst die Tatsache ins Gewicht, daß es jedem Kläger primär darauf an­kam, seinen Anspruch möglichst rasch und effektiv durchzusetzen.8 Der Reichshof­rat konnte seine Prozesse infolge seiner in prozeßrechtlicher Hinsicht viel freieren Beweglichkeit schneller als das Reichskammergericht erledigen. Vor allem Urteile gegen Fürsten konnte er besser durchsetzen als das Reichskammergericht, zumal dessen Verhältnis zu den Fürsten von diesen - im Gegensatz zu dem des „kaiserlichen“ Reichshofrats - als ein gleichrangiges empfunden wurde. Daraus erklärt sich die Tatsache, daß vor allem schwächere Reichsglieder, sowohl reichs­unmittelbare wie auch reichsmittelbare Personen9, sich mit Klagen gegen mächtige 4 Eine der jüngeren Veröffentlichungen erfaßt den ersten Teil der Bestände des RKG im Bayeri­schen Hauptstaatsarchiv. Gebhardt, Barbara und Hörner, Manfred (Hrsg.): Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht. Band 1, Nr. 1-428 (Buchstabe A), München 1994 (= Nr. 19 der Gesamtreihe des Inventars der Akten des Reichskammergerichts). 5 S e 11 ert, Wolfgang: Über die Zuständigkeitsabgrenzung von Reichshofrat und Reichskammerge­richt. Aalen 1964 (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte 4), S. 125. 6 G sc h 1 i eßer, Reichshofrat, S. 14 f. 7 Moraw, Peter: Reichshofrat. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte [in Hinkunft: HRGJ. Hrsg, von Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann.'Bd. 4. Berlin 1990, Sp. 630-637, hier Sp. 631. * S e 11 e r t: Zuständigkeitsabgrenzung, S. 124. 9 Neben den Reichsstädten sind an dieser Stelle die Korporationen der Reichsritterschaft in Schwa­ben, Franken und am Rhein zu nennen, deren bloße Existenz den Bestrebungen der Landesfürsten im Hinblick auf Vereinheitlichung ihrer Territorien im Wege stand. Die Reichsritter waren somit stets „natürliche“ Verbündete des Kaisers. Im Gegenzug zu ihrer Unterstützung der kaiserlichen Interessen wurden sie mit zahlreichen Privilegien ausgestattet. In den zahlreichen Konflikten, die entstanden, wenn ein Landesherr unter Mißachtung dieser Rechte etwa Steuern einhob oder ritter­250

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