Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

RAUSCHER, Peter: Recht und Politik. Reichsjustiz und oberstrichterliches Amt des Kaisers im Spannungsfeld des preußisch-österreichischen Dualismus (1740–1785)

RECHT UND POLITIK. Reichsjustiz und oberstrichterliches Amt des Kaisers im Spannungsfeld des preußisch-österreichischen Dualismus (1740-1785) Von Peter Rauscher Die neuere reichsgeschichtliche Forschung hat gezeigt, daß es den Kaisern nach 1648 gelang, trotz einer Krise des kaiserlichen Ansehens gegen Ende des Dreißig­jährigen Krieges und der daraus hervorgegangenen verfassungsrechtlichen Aufwer­tung der Reichsstände, hauptsächlich gestützt auf den mindermächtigen, nicht ar­mierten Reichsteil, ein bedeutendes Maß an reichspolitischem Handlungsspielraum zu bewahren1. Das wichtigste Mittel der kaiserlichen Einflußnahme auf das Reich bildete dabei das oberstrichterliche Amt des Reichsoberhaupts2 und der davon direkt abhängigen Rechtsprechung des Reichshofrats, mit dessen Hilfe es ihm gelang, im­mer wieder auf das Reich und dessen Stände einzuwirken. Letzteren hatte zwar der Westfälische Frieden die völkerrechtliche Anerkennung außenpolitischer Handlungs­fähigkeit gebracht (ius pacis et bellis und ius faciendi foedera) - die freilich von den wenigsten Reichsständen zu einer aktiven Politik auf europäischer Ebene genutzt werden konnte -, sie alle blieben aber eingebunden in das Rechtssystem des Reiches, an dessen jurisdiktioneller Spitze die beiden höchsten Reichsgerichte, das Reichs­kammergericht3 und der kaiserliche Reichshofrat4 standen. 1 Press, Volker: Die kaiserliche Stellung im Reich zwischen 1648 und 1740. Versuch einer Neubewer­tung. In: Schmidt, Georg (Hrsg.): Stände und Gesellschaft im Alten Reich. Stuttgart 1989 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abt. Universalgeschichte, Beiheft 29), S. 51—80; Schindling, Anton: Die Anfänge des Immerwährenden Reichstags zu Regensburg. Ständevertretung und Staatskunst nach dem Westfälischen Frieden. Mainz 1991 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abt. Universalgeschichte 143, Beiträge zur Sozial- und Ver­fassungsgeschichte des Alten Reiches 11); A r e t i n, Karl Otmar von: Das Alte Reich 1648-1806. Bd. 1- 3. Stuttgart 1993-1997, Bd. 1: Föderalistische oder hierarchische Ordnung (1648-1684). Stuttgart 1993, S. 64-85. 2 Vgl. Press, Volker: Österreich und Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 42 (1991), S. 737-753, hier S. 740-742; Press, Volker: Der Reichshofrat im System des frühneuzeitlichen Reiches. In: Battenberg, Friedrich-Rani er i, Filippo (Hrsg.): Geschichte der Zentraljustiz in Mitteleuropa. Festschrift für Bernhard Diestelkamp zum 65. Geburtstag. Weimar-Köln- Wien 1994, S. 349-363; Aretin: Reich. Bd. 1, S. 85; Willoweit, Dietmar: Deutsche Verfassungs­geschichte. Vom Frankenreich bis zur Teilung Deutschlands. München 2. Aufl. 1992, S. 173 f. 3 Zum Reichskammergericht immer noch grundlegend S m e n d, Rudolf: Das Reichskammergericht T. 1: Geschichte und Verfassung. Weimar 1911 (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit. Bd. 4, H. 3); neuere Überblicke bieten Press, Volker: Das Reichs­kammergericht in der deutschen Geschichte. Wetzlar 1987 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichs­kammergerichtsforschung 3); Schmidt-von Rhein, Georg: Das Reichskammergericht in Wetzlar. In: Nassauische Annalen 100 (1989), S. 127-140; Diestelkamp, Bernhard: Das Reichskammerge­richt im Rechtsleben des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wetzlar 1985 (Schriftenreihe der Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46/1998 269

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