Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LILLA, Joachim: Die Bevollmächtigten für den Nahverkehr (Nbv) und ihre nachgeordneten Dienststellen in Österreich 1938 bis 1945

Joachim Lilla tel außer der Reichsbahn zentral zusammenzufassen und auf die Bedürfnisse der Wehrmacht einerseits, des zivilen Nahverkehrs anderseits einzustellen“10. Bei diesen Mittelbehörden wurden (zunächst noch „Außenstellen des Reichá- und Preußischen Verkehrsministers“ genannte) „Bevollmächtigte für den Nahverkehr (Nbv) und für jeden Nbv ein .ständiger Vertreter1 bestellt“. Die Mittelbehörden wurden angewie­sen, sich „bei der Durchführung der ihnen übertragenen Aufgaben dieser Bevollmächtigten zu bedienen. Die Nbv sind für die Durchführung dieser Aufgaben verantwortlich. Die Bezir­ke der Nbv decken sich mit den Wehrkreisen [...] Deswegen war es teilweise erforder­lich, von den Grenzen der inneren Verwaltung abzuweichen. Etwa hierdurch auftretende Schwierigkeiten müssen durch enge Fühlungnahme überwunden werden.“ Die Nbv wurden der Mittelbehörde zugeteilt, erhielten ihre fachlichen Weisungen vom Reichsverkehrsminister, wurden aber verpflichtet, „den Leiter der Mittelbehör­de über die wichtigsten Fragen laufend zu unterrichten““. Die Nbv waren Dienststel­len des Reiches, führten ihren Schriftwechsel unter der jeweils vollständigen Be­zeichnung der Mittelbehörde, z. B. „Der Bayerische Staatsminister des Innern - Bevollmächtigter für den Nahverkehr“12 und zeichneten im Auftrag der Mittelbe­hörde. Der Reichsverkehrsminister erstattete den Behörden, bei denen ein Nbv er­richtet war, deren personelle und sächliche Kosten. Unbeschadet ihrer haushalts­rechtlichen und fachlichen Betreuung durch den Reichsverkehrsminister wurden die Bevollmächtigten für den Nahverkehr Bestandteil der Behörde, bei der sie errichtet waren13. Art und Umfang des Weisungsrechts des Leiters der allgemeinen Verwal­tungsbehörde gegenüber dem Nbv waren strittig und sind bis 1945 offenbar nicht eindeutig geklärt worden: Staatssekretär Dr. Stuckart vom Reichsministerium des Innern vertrat wohl den Standpunkt, daß der Leiter der Verwaltungsbehörde gegen­über dem Nbv weisungsberechtigt sei, konnte dies aber anscheinend gegenüber dem Reichsverkehrsminister nicht durchsetzen14. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Nbv den jeweiligen Behörden formell eigenständig angegliedert oder 10 Vermerk RFM, 2. Juli 1941, BA-KO R 2/23033, Bl. 125. 11 Der ehemalige stellvertretende Nbv Stuttgart (1936 bis 1939) Albrecht Zahn berichtet darüber: „Dem Posteninhaber [wohl Ministerialdirektor Dill, Leiter der für den Nbv zuständigen Abteilung III A im Württembergisches Innenministerium (in Hinkunft: Württ. IM)] machten wir einen Antrittsbesuch. Da­nach gab es lediglich gelegentliche Gespräche über unsere Arbeit. Für diese Regelung sprach auch die Tat­sache, daß sich damals unser Bereich weit über den des Württ. IM erstreckte. Damals erhielten wir unsere Informationen und Aufträge allein vom Reichs- und Preuß. Verkehrsminister. Wir erhielten schriftliche Aufträge, wurden aber auch in gewissen Abständen nach Berlin beordert.“ (Mitteilung vom 17. Juni 1994). Dill wurde im Frühjahr 1939 Leiter des Amtes des Reichsstatthalters in Österreich, vgl. Ein Gene­ral im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau, Bd. 2: Minister im Ständestaat und General im OKW, Hrsg, von Peter Broucek. Wien/Köln/Graz 1983 (Veröffentlichungen der Kommis­sion für neuere Geschichte Österreichs 70), S. 296. 12 Formenkundlich bemerkenswert ist das Fehlen des bestimmten Artikels beim Nbv, es hieß „Bevollmächtigter“ und nicht „Der Bevollmächtigte“. Nur der Nbv Salzburg firmierte gelegentlich als „Der Bevollmächtigte für den Nahverkehr im Wehrkreis XVIII“. 3 Vgl. § 12 Abs. 2 der VO über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirt­schaftsverwaltung vom 22. November 1942, RGBl. 1942 I, S. 649. Die einzelnen Nbv hatten ihren Fi­nanzbedarf jeweils dem RVM anzugeben, RdErl des RVM vom 14. Oktober 1941, Reichsverkehrsblatt (in Hinkunft: RVkBl.) 1941 B, S. 175. 14 Aufzeichnung des Württ. IM Nr. I 1438 vom 30. November 1944, HSTAS E 151/01 Bü 299, Bl. 9. 150

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