Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LILLA, Joachim: Die Bevollmächtigten für den Nahverkehr (Nbv) und ihre nachgeordneten Dienststellen in Österreich 1938 bis 1945

DIE BEVOLLMÄCHTIGTEN FÜR DEN NAHVERKEHR (NBV) UND IHRE NACHGEORDNETEN DIENSTSTELLEN IN ÖSTERREICH 1938 BIS 1945 von Joachim Lilla Ein kleines Segment der kaum überschaubaren und bislang auch kaum erforschten Sonderbehördenvielfalt des Dritten Reiches1 will der folgende Beitrag erhellen: die Organisation, die Struktur und die Aufgaben der Bevollmächtigten für den Nahver­kehr (amtliche Abkürzung Nbv), soweit sie in Österreich tätig waren, und diese in den Zusammenhang der damaligen Verwaltungsorganisation in Österreich stellen. Der Begriff Nahverkehr geht auf einen gesetzestechnischen Ausdruck zur Abgren­zung des Güterverkehrs im Nahbereich gegenüber dem Güterfernverkehr zurück, ist also umfassender zu verstehen als das Wort Nahverkehr im heutigen Sinne, das in der Regel nur noch den öffentlichen Personennahverkehr meint. Die Aufgaben der Bevollmächtigten für den Nahverkehr umfaßten bis zum Kriegsbeginn vornehmlich „die Sorge für die Aufrechterhaltung des Nahverkehrs“ für den Fall, daß „der Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen im Kriegsfälle völlig stillgelegt werden könne, und daß [nur] dem aufrecht zu erhaltenden Nahverkehr im wesentlichen Kraft­fahrzeuge und Personal erhalten bleiben würden“2. Im Laufe des Krieges aber wurden die Aufgaben der Nbv erheblich ausgeweitet und erstreckten sich unter anderem auf die komplette Organisation des Straßenver­kehrs, die Deckung des Bedarfs an Straßenverkehrsmitteln und deren Einsatz bei Großvorhaben sowie die Lenkung des Güter- und Personenverkehrs mit Kraftfahr­zeugen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Nbv übten von Anfang an „keine Friedensverwaltungstätigkeiten“ aus, sondern waren als „reine Mobilmachungsstel­1 Verwaltungsgeschichtliche Detailuntersuchungen zum Komplex der Sonderverwaltungen im Dritten Reich liegen kaum vor. Zum Forschungsstand vgl. Rebentisch, Dieter: Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg. Verfassungsentwicklung und Verwaltungspolitik 1939-1945. Stuttgart 1989 (Frankfurter Historische Abhandlungen 29), S. 24-27. Die Nbv sind allerdings in einigen regionalen ver­waltungsgeschichtlichen Darstellungen berücksichtigt worden, etwa R o m e y k, Horst: Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz 1914-1945. Düsseldorf 1985 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde LXIII), S. 139, 141, 145 f., und Leesch, Wolfgang: Die Verwaltung der Provinz Westfalen 1815-1945 - Struktur und Organisation. Münster 1993 (Veröffentlichungen der Hi­storischen Kommission für Westfalen XXXVIII), S. 27, 29; zu einem Nbv in einem besetzten Gebiet vgl. Umbreit, Hans, Der Militärbefehlshaber in Frankreich 1940-1944. Boppard 1966 (Wehrwissen­schaftliche Forschungen, Militärgeschichtliche Studien 7), S. 29 u.a. Jeder Hinweis auf die Nbv fehlt in: Deutsche Verwaltungsgeschichte. Hrsg, von Kurt G.A. Je ser ich u. a. Bd. 4: Das Reich als Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus. Stuttgart 1985. 2 Reichsverkehrsminister (in Hinkunft: RVM) an Reichsfinanzminister (in Hinkunft: RFM), 17. Mai 1941, Bundesarchiv Koblenz (in Hinkunft: BA-KO) R 2/23033, Bl. 96. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46/1998 147

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