Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LEBENSAFT, Elisabeth – MENTSCHL, Christoph: Vom Service de Prestation zur Alien Labour Company. Ein Beitrag österreichischer Flüchtlinge im Kampf gegen NS-Deutschland, dargestellt nach britischen Quellen

„Uniformen aus lichtblauem Stoff, wir haben ausgeschaut wie die Kasperln [... ]“40. Etwas anders die Eindrücke Feuchtwangers: „Viele unter den neu [ins Lager, Anm. d. Verf.] Eingelieferten trugen französische Uniformen. Sie waren als Freiwillige in die französische Armee eingetreten, sie waren Arbeitssoldaten. Aufgemalt auf die Rückseite ihres Rockes waren schwarz und riesig die Buchstaben T. E., die Initialen der Worte Travailleurs Etrangers, ausländische Arbeiter. Keck saß ihnen die zweigehömte Mütze des französischen Soldaten auf dem Kopf“41. Relativ bald wurde dann ein großer Teil dieser Prestataires dem Kommando des britischen Militärs unterstellt, was für viele der Betroffenen offensichtlich ein weit einschneidenderes Erlebnis darstellte als die französische Einberufung42. „Wir wurden der englischen Armee irgendwie vermietet“43 - ein Vertrag und seine Folgen Die Begriffe vermietet*4, ausgeborgt45, geliehen*6 oder verliehen47 tauchen in Zu­sammenhang mit der Dienstleistung der Prestataires bei der B.E.F. in den Aussagen der Zeitzeugen immer wieder auf. Sie geben tatsächlich nicht nur eine subjektive Empfindung wieder, sondern auch - meist ohne konkretes Wissen der Betroffe­nen48-einen objektiven, historisch nachvollziehbaren Tatbestand. Tatsächlich be­ruhte diese „Vermietung“, „loan to the British Expeditionary Force of the services of .prestataires1,,, wie es sogar von den Vertragspartnern selbst ausgedrückt wurde49, auf einem Abkommen zwischen Briten und Franzosen, dem relativ lange Verhandlun­gen vorangegangen waren. Dieses unsignierte Abkommen50, das in elf Artikeln die Behandlung der Prestatai­res regelte, wurde durch einen Notenaustausch zwischen dem britischen Botschafter in Paris, Sir Ronald Campbell, und dem französischen Ministerpräsidenten und Vom Service de Prestation zur Alien Labour Company 40 Vgl. J e n a u t h, Alfred: Ich hatte mir das alles leichter vorgestellt. In: Schreiben im Widerstand. Österrei­chische Publizisten 1933-1945. Hrsg, von Manfred Bobrowsky, Wien 1993, S. 193-220, hier S. 201 f. 41 Feuchtwanger, Lion: Der Teufel in Frankreich. Frankfurt a. Main, S. 89. 42 Vgl. etwa Schatzberger, Cpl. [A.]: Von der Sahara ins British Pioneer Corps. In: Zeitspiegel, 10. 7. 1943, S. 3; Markus, Georg: Das große Karl Farkas Buch. Wien-München 2. Aufl., 1993, S. 136; Thalberg: Von der Kunst, S. 92 f.; Interview mit Michel Grubert, in: Etzersdorfer: Sozialisten, S. 236-277, hier S. 247 f.; E s c h e r, Hans: Avec les réfugiés ex-autrichiens dans les Camps. Du Stade de Colombes ä Meslay-du-Maine (septembre 1939-mai 1940). In: Archives Juives 18, 1982, S. 9-18, hier S. 18. 43 Grubert, in:Etzersdorfer: Sozialisten, S. 247. 44 So auch Fred Jenauth in einem den Verfassern am 23. 11. 1993 gegebenen telefonischen Interview. 45 Interview Escher, 29. 11. 1993, Transkription S. 1. 46 Grubert, in:Etzersdorfer: Sozialisten, S. 247. 47 So der inzwischen verstorbene Journalist Dr. Erich Derman in einem den Verfassern am 13. 11. 1992 gegebenen telefonischen Interview. 48 Botschafter i. R. Dr. Hans J. Thalberg, der aufgrund seiner Stellung als Adjutant eines Majors mehr Einblick in die Hintergründe hatte, sprach als einziger in einem den Verfassern am 31. 5. 1994 gegebenen Interview von einem „Vertrag“, aufgrund dessen die Briten die Prestataires übernommen hätten. 49 PRO, FO 371/24325, S. 138: Sir Ivone Kirkpatrick, FO, an Under-Secretary of State, WO, 14. 3. 1940 (Hervorhebung durch die Verfasser). 50 Ebenda,S. 172 f.: „Memorandum of Agreement“, 10. 4. 1940. Vgl. Anhang S. 79 f. 95

Next

/
Oldalképek
Tartalom