Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

AMMERER, Gerhard: Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788–1791) und die öffentliche Meinung in Wien

er) und-durch die ökonomische Krise verursacht - Reallöhnen50. Johann Pezzl berichtet 1788 von einer Verdoppelung der Nahrungsmittelpreise in Wien bzw. der Verkleinerung des Brotes auf die Hälfte51. Neben den negativen Auswirkungen des aktuellen Ereignisses war es seit dem En­de des Siebenjährigen Krieges unter dem Einfluß der Aufklärung auch zu einer wachsenden generellen Kritik am Krieg gekommen. Der Diskurs wurde zu einem prominenten Thema in der Literatur, wobei vor allem die Ideen von Voltaire und Rousseau in Österreich eine breite und nachhaltige Wirkung entfalten konnten52. Nur am Rande erwähnt sei ein weiteres Diskussionsthema, nämlich die zu Beginn des Türkenkrieges eingefuhrte Militärpflicht der Juden: Joseph II. fällte am 18. Fe­bruar 1788 nach jahrelangen Diskussionen gegen den Willen des Hofkriegsrates und das alte Vorurteil, daß Juden nicht zum Militärdienst taugten, die Entscheidung, diese in die Konskription einzubeziehen53. Im Juli 1788 befanden sich schon 2 500 jüdische Soldaten beim österreichischen Heer54. Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788-1791) 50 Vgl. z. B. Vaterlandschronik vom 12. Dezember 1788, S. 816: „Ueber diese Kriegssteuer aber schütteln die Oestreicher gewaltig die Köpfe. Jeder der vom Kunstfleisse lebt, muß 12 vom Hundert bezahlen. Für die Beamten ist diß besonders traurig, da diese noch überdiß zehen Prozent zum Pensionsfonde von ihren Besoldungen liefern müssen. Z. B. Es hat einer 1 000 Gulden Besoldung; so hat er zeither immer nur 900 Gulden empfangen; und nun muß er doch die Kriegssteuer von den vollen 1 000 Gulden entrichten. Er er­hält also nur 780 Gulden...“ 51 Pezzl: Skizze, S. 636; ähnlich bei Huber, Franz Xaver: Geschichte JosephsU. römischen Kaisers, Königs von Hungam und Böheim ec. Wien 1792, S. 219. Weithin wurde der Wunsch nach Frieden geäu­ßert (vgl. z. B. Vaterlandschronik vom 21. Oktober 1788, S. 724: „Ein Blik nach Wien zeigt mir die gro­sse Kaiserstadt in zwo Partheien gespalten, wovon die Grössere Frieden mit den Türken wünscht...“). 52 Wangermann, Emst: Nulla salus bello. Zu einigen Auswirkungen der Aufklärungsliteratur in Öster­reich. In: Literatur und Kritik. Jg. 1, H. 5 (1966), S. 48 f.; derselbe: The Austrian Achievement 1700- 1800. London 1973, S. 145. 53 Die Entscheidung, die sich zunächst nur auf Galizien erstreckte, wurde im Juni 1788 auf alle habsburgi­schen Länder ausgedehnt und 1789 auch auf den Dienst in der Infanterie erstreckt. Zur Vorgeschichte, der Einführung und den jüdischen Reaktionen: Schmidl, Erwin A.: Juden in der K. (u.) K. Armee 1788- 1918. Eisenstadt 1989 (Studia Judaica Austriaca. Bd. 11), S. 30^17; nach zwei Broschüren, in denen die­se Verordnung heftige Kritik erntete, erschien eine Gegenschrift, in der der anonyme Autor die Staatsbür­gerpflichten aller Untertanen hervorhob und seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, „... daß es Schuldig­keit des Juden sey, die Waffen gegen die Feinde des Staates, worin er lebt, zu ergreiffen.“ (Unpartheiische Bemerkungen über die bisher erschienenen Broschüren, die militärische Konscription der Juden betreffend. Von einem Wahrheitsfreunde. Wien 1788, S. 21); deutlich spürbar war die antijüdische Haltung in man­chen Zeitungen auch weiterhin, vgl. z. B. folgende Mitteilung in der Vaterlandschronik vom 20. Oktober 1789, S. 713: „Laudon hat die Juden von seinem Heere fortgeschickt; denn sie sind erbärmli­che Soldaten, springen wie Böke in die Höhe, wenn ein Schuß geschieht, zittern, daß ihr Gebein hallt, und verzuken ihr Gesicht so jämmerlich, daß es einen Stein erbarmen möchte.“ 54 Karniel, Josef: Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II. Gerlingen 1985 (Schriftenreihe des Instituts für Deutsche Geschichte der Universität Tel Aviv. Bd. 9), S. 451; H o f e r, Brigitte: „... dem Staate nützlich gemacht“. Die galizischen Juden zur Zeit Maria Theresias und Joseph II. Diplomarbeit am Institut für Ge­schichte der Universität Salzburg 1995, S. 135. Vgl. Abb. 2: „Die gegen die Türken streitende Juden“, anonymes satirisches Flugblatt auf die Einführung der Wehrpflicht für Juden mit einem Holzstich nach einem Motiv von Hieronymus Löschenkohl, Histori­sches Museum der Stadt Wien, Inv. Nr. 85 844/1. 67

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