Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

ERNST, Hildegard: Geheimschriften im diplomatischen Briefwechsel zwischen Wien, Madrid und Brüssel 1635–1642

GEHEIMSCHRIFTEN IM DIPLOMATISCHEN BRIEFWECHSEL ZWISCHEN WIEN, MADRID UND BRÜSSEL 1635-1642 (TEIL II) von Hildegard Ernst In Band 42/1992 der Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs habe ich vier Geheimcodes (A, B, C und D) vorgestellt, die im Schriftverkehr zwischen der Reichskanzlei und den kaiserlichen Botschaftern Schönburg und Carretto in Madrid bzw. zwischen der Reichskanzlei und der Kanzlei des Gouverneurs der spanischen Niederlande, des Kardinalinfanten Fernando und seines Nachfolgers, Don Francisco de Melho, verwendet wurden'. Im vorliegenden zweiten Teil dieses Aufsatzes möchte ich auf zwei weitere Codes (E und F) eingehen, mit denen die Korrespon­denz zwischen der Reichskanzlei und Carretto verschlüsselt wurde. Francesco Marchese dal Carretto, di Grana e Savona, Conte di Millesimo, war der Nachfolger des am 27. August 1640 verstorbenen Grafen von Schönburg. Er traf am 18. Oktober 1641 in Madrid ein. Von Genua aus, wo er auf seiner Reise lange auf­gehalten worden war, weil er auf ein Schiff für die Überfahrt nach Barcelona warten mußte, schickte er einen Geheimschlüssel nach Wien (Code C), den er auch noch nach seiner Ankunft in Madrid für seine Korrespondenz mit der Reichskanzlei be­nutzte. Am 12. bzw. 24. Januar 1642 verwendete der Gesandte jedoch erstmals zwei neue „Ziffern“ (E und F), die ihm auf seine Bitte hin aus Wien überschickt worden waren. Von da an wurden fiir den Schriftwechsel zwischen der Botschaft und der kaiserlichen Kanzlei die Codes C, E und F nebeneinander benutzt. Das hatte den Vorteil, daß der Feind, falls ihm ein Schreiben in die Hände fiel und es ihm gelun­gen war, den Code zu entschlüsseln, dadurch noch nicht in der Lage war, auch alle übrigen Briefe zu lesen. Dieser Vorteil wurde jedoch dadurch unterlaufen, daß man die Duplikate, die aus Sicherheitsgründen für alle Schreiben angefertigt und mit 1 1 Ernst, Hildegard: Geheimschriften im diplomatischen Schriftwechsel zwischen Wien, Madrid und Brüssel 1635-1642. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs [MÖStA] 42 (1992), S. 102- 127. In einem später folgenden Beitrag soll eine ganz besondere Geheimschrift vorgestellt werden. Es han­delt sich um eine Ziffer, die ausschließlich im eigenhändigen Briefwechsel zwischen Kaiser Ferdinand III. und seinem Bruder Erzherzog Leopold Wilhelm in den Jahren 1641 und 1642 verwendet wurde. Es exi­stiert kein Schriftstück mit einer Auflösung, die zur Rekonstruktion des Codes herangezogen werden könnte. Alles deutet daraufhin, daß außer den beiden erzherzoglichen Brüdern niemand anderer die Ziffer lesen konnte und daß sie von ihnen selbst erdacht worden ist. Der hochpolitische Schriftwechsel (Leopold Wilhelm stand damals an der Spitze des Reichsheeres) konnte wegen der noch nicht aufgelösten Geheim­schrift bis heute nicht von der Forschung ausgewertet werden. Die Vorstellung des Codes ist vorgesehen für Band 47/1999 mit dem Vorbehalt, daß die Entschlüsselung bis dahin gelungen ist. 207

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