Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

BRAUN, Gerd: Schloß Ambras als Sommerresidenz des Erzherzogs Carl Ludwig

Gerd Braun Ziegel des anmutigsten Wechsels von Linien, Licht, Farbe und Schatten voll sind und mit Land und Leuten aufs beste harmonieren42. Die Wirkung hätte wohl zwischen der neugotischen Burg Stolzenfels und den Re­sidenzen seines Bruders, des nachmaligen Kaisers von Mexiko in Miramar bei Triest und in Chapultepec in Mexiko-alles im „Burgenstil“ - geschwankt. Ein anderes Beispiel für Carl Ludwig kann auch die vom exilierten Palatin von Ungarn, Erzher­zog Stephan, ab 1850 in „englischer“ Gotik aufgebaute Schaumburg an der Lahn gewesen sein. Jedenfalls stellte Franz Joseph folgende Bedingungen: Bevor Ich hierüber entscheide, sind Mir die detaillierten Pläne und Vorschläge über die Bau- und Einrichtungskosten, nebst einer verläßlichen Zeichnung vorzulegen, aus welchen zu ersehen ist, wie sich die Ansicht des Schlosses nach dem neuen Projekt ge­stalten würde. ... Die Ambraser Sammlung anbelangend, geht Mein Wille dahin, daß dieselbe zu Ambras untergebracht werde43. Ende Juli berichtete der Obersthofmeister dem Kaiser über ein nun vorliegendes „zweites Projekt“ Ludwig Försters, das jedoch ungenügend und nicht prüffahig sei und stellte anheim, die Planung und Ausführung der Bauten zu einer Pauschalsum­me in die Hände des Erzherzogs zu legen, d. h. die Hofämter sollten sich an dem ungeliebten Projekt nicht beteiligen. Man argumentierte, daß sich dieses unbürokra­tische Verfahren bereits bei der Restaurierung des Ofener Schlosses in Budapest unter der Ägide des Erzherzogs Stephan gut bewährt habe44. Mitte August legte Förster ein überarbeitetes „drittes Projekt“ vor (Abb. 6), dessen Kosten er mit 500 000 Gulden bezifferte. Am Hochschloß sollten u. a. neue Erker in der Front gegen Innsbruck, Brüstungen der jüngst hergestellten Balkons; (der) Korridor im ersten Stock rings um den Hof; (eine) Treppe zum Museum, (ein) neu­es gemauertes Gesims im Hof sammt Dachrinne; (sowie) die Zinnenbekrönung um das ganze Schloß; (der) Aufbau des großen Donjons mit 2 Stockwerken sammt Wart- und Uhrturm; (der) Aufbau des sog. Brunnenturmes; (sowie) ein neues Dach über (das) ganze Schloß“ für eine Summe von 135 000 Gulden hergestellt werden45. Das Projekt wurde erneut dem Schloßhauptmann Lang vorgelegt, der sich auch dieses Mal mit Kritik nicht zurückhielt: Insofeme sich die vorliegenden Pläne und Fassaden des neuen Museums, welche in stylistischer Beziehung gegen den Charakter des Hochschlosses wesentlich kontrastieren, der allerhöchsten Genehmigung zu erfreuen hätten, würde vom Standpunke der Solidität die projektierte Aufführung eines zwei Stock hohen hölzernen Flaggenturmes (Donjons) sammt Wart- und Uhrturmes überhaupt... bedenklich erscheinen46. Co hau sen, (August) von: Die Bergfriede, besonders rheinischer Burgen. In: Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, XXVIII/14. Jg. (Bonn 1860), S. 1-53, hier S. 40 f. 43 HHStA Wien, OMeA, Rubrik 81/F/4, Jg. 1857 vom 4. Juni 1857 und a. h. Entscheidung vom 2. Juli 1859 (soll heißen 1857!); vgl. Abb. 3 bis 5. 44 HHStA Wien, OMeA, Rubrik 8 l/F/8, Jg. 1857 vom 26. Juli 1857. 45 TLA Innsbruck, Kunstsache III 8/5, 1857, Statthalterei 1856-1868 vom 16. August 1857. Vgl. Abb. 6. 46 HHStA Wien, OMeA, Rubrik 81/F/ll, 1857 vom 17. September 1857; Nach Mothes, Oscar: Illu­striertes Baulexikon. Bd. 2. Leipzig 1875, S. 152 f bedeutet „Donjon“: 1. Bergfried, Reduit, Bollwerk; 2. Türmchen oder Pavillon als Aufsatz zur Aussicht auf einem Wohnhaus; 3. kleiner Turm auf einem grö­ßeren , Aufthurm“. Diese heute völlig überholte Definition kennzeichnete jedoch den Donjon als verwend­bares Motiv in der Architektur des Historismus. 98

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