Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

BRAUN, Gerd: Schloß Ambras als Sommerresidenz des Erzherzogs Carl Ludwig

Gerd Braun Um diesen hochgespannten Erwartungen gerecht zu werden, wurde der Wiener Architekt und Herausgeber der renommierten „Allgemeinen Bauzeitung“, Prof. Ludwig Förster, beauftragt, einen entsprechenden Plan zu entwerfen, der einen ein­heitlichen Stilcharakter erhalten sollte, „so daß vor allem anderen ein harmonisches Ganze erzielt werde“. Diese Entscheidung des Kaisers berücksichtigte die Wünsche des Erzherzogs, für die kunstgerechte Herstellung des kaiserlichen Schlosses Ambras einen in diesem Zweige der Baukunst erfahrenen Architekten zu verwenden. ... Ich habe hierzu den in der höheren Baukunst als sehr gediegenen Künstler allgemein anerkannten Ludwig För­ster gewählt und nicht den früher bei Meiner Anwesenheit in Wien bezeichneten Archi­tekten Stäche, indem jener Mir am geeignetsten scheint, um dieses Werk in Angriff zu nehmen, da es sich hier nicht so sehr um Neubauten, sondern vielmehr um gründliche historische Kenntnisse zur Erhaltung und Wiederbelebung dieses schönen Denkmals handelt24. Die künstlerische Seite der „höheren Baukunst“ bei der Wiederherstellung des Schlosses schien dem Erzherzog bei der Baubürokratie in Innsbruck wohl nicht genügend entwickelt. Daß Förster vorgezogen wurde, hängt vermutlich mit seinem Bekanntheitsgrad zusammen. Er war zwar nicht durch Restaurierungen hervorgetre­ten, hatte sich jedoch als Stadtplaner und Architekt der Wiener Ringstraße einen Namen gemacht. Noch im Mai wurde Förster von Liechtenstein nach Ambras beor­dert, damit er „dort an Ort und Stelle sogleich einen umfassenden der Erbauungszeit des Schlosses entsprechenden Plan“ entwerfen um danach die, mit dem alten Stil nicht zu vereinbarenden, in späterer Zeit hinzugefügten Bauten entweder beseitige oder dem Ganzen anpasse25. Die bereits in Angriff genommenen Bauarbeiten am Hochschloß gingen jedoch ungestört weiter, so daß der Schloßverwalter Suschitzky Ende Mai bereits den Transport von sieben Fuhren mit Mobilien von Innsbruck nach HHStA Wien, OMeA, Rubrik 81/2, Jg. 1856 vom 14. Mai 1856. Ludwig Förster hatte zwar keine per­sönlichen Erfahrungen bei der Restaurierung von Bauten gesammelt, er stand jedoch als Herausgeber der hoch angesehenen Allgemeinen Bauzeitung (ABZ) mit allen bedeutenden Architekten Deutschlands in Verbindung. Die ABZ brachte gerade zu Restaurierungsfragen und -projekten zahlreiche Beiträge (z. B. Marienburg, Pierrefonds). Zusammen mit seinem Schwiegersohn Theophil Hansen entwarf er die Villa für den Finanzier Pereira bei Greifenstein/Donau, deren „Baustil ... sollte den Charakter des Romantischen ausdrücken ...“ (ABZ 1849, S. 107). Ebenfalls im „Burgenstil“ waren auch die Gebäude des Arsenals in Wien gehalten. Der Entwurf für die Gewehrfabrik stammt von Förster und Hansen (ABZ 1850, S. 30). Förster war durch seine Zeitschrift immer auf der stilistischen Höhe der Zeit und wird deshalb wohl bei ei­ner so ehrenvollen Aufgabe, wie sie die Herstellung einer kaiserlichen Residenz darstellte, alle ihm zu Ge­bote stehenden stilistischen Mittel eingesetzt haben. Gewählt wurden bei Bauten im „romantischen“ Stilcharakter in der Regel flach geneigte Dächer hinter umlaufenden Zinnenkränzen (Krenelierung). Die­ses Stilisierungsmittel wurde auch gerne bei der Wiederherstellung von Burgen angewandt (Marienburg in Westpreußen, Stolzenfels und Rheinstein am Rhein, Wolfsberg in Kärnten, Frauenberg in Böhmen usw.). Ludwig Förster wird sich an diese Regel gehalten haben. Aus den Akten des Allgemeinen Verwaltungsarchivs in Wien (Bestand Ministerium des Innem, IV D I, Ritterstand Förster) ist zu entnehmen, daß L. Förster nach seinem Tode in den erblichen Adelsstand erho­ben wurde. Am 16. Juni 1863 gestorben, wurde das Diplom auf den 14. Juni 1863 zurückdatiert. In der Akte selbst werden die Verdienste Försters eingehend geschildert, ohne jedoch Ambras mit einem Wort zu erwähnen; verständlich, denn Ambras war für den Kaiser und auch für Ludwig Förster ein gescheitertes Projekt. HHStA Wien, OMeA, Rubrik 81/2, Jg. 1856 vom 17. Mai 1856. 92

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