Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43. (1993) - Festschrift für Rudolf Neck zum 65. Geburtstag

GÖBL, Michael: Vom Judenplatz zur Wallnerstraße. Über die Anfänge des Allgemeinen Verwaltungsarchivs

Michael Gobi der Neorenaissance entworfene fünfgeschoßige Gebäudekomplex, der stark an das Gebäude der Universität erinnerte, war an der dem Ring zugewandten Seite durch Eckrisalite und einen erhöhten Mittelrisalit gegliedert. Für Archivzwecke waren im Tiefparterre fünf und im Hochparterre vier Räume vorgesehen, wobei das Allgemeine Archiv und das Adelsarchiv als eine Einheit aufgefaßt wurde.9) Das Projekt scheiterte letztlich aber an dem auf dem Grundstück haf­tenden Servitut zugunsten der Eigentümer des Palais Coburg. Dieses Servitut, das im Zuge der Schleifung der Rasteien 1861 entstanden war, besagt, daß der k.k. Gartenbaugesellschaft als Eigentümerin der dem Palais vorgelagerten Liegenschaft die Sorge auferlegt werde, darauf zu achten, daß eine allfällige Rebauung „die freie Lage und Aussicht des Palais“ Coburg nicht beeinträchtigen dürfe.10) ßedingt durch dieses Servitut hätte das geplante Innenministerium nicht mit dem erforder­lichen räumlichen Volumen gebaut werden können. Mitentscheidend für die Einstellung der Planungen für ein neues Innen­ministerium war auch die Gründung einer neuen Zentralstelle im Jahre 1908, dem Ministerium für öffentliche Arbeiten. Die Übertragung mehrerer Kompetenzen (z. R. das Baudepartement) aus dem Innen­ressort an das neue Ministerium verringerte auf diese Weise nicht nur den Rürobedarf, sondern machte auch die Neubaupläne überhaupt ent­behrlich. Unverdrossen über derartige Rückschläge verfolgte Archivdirektor Kretschmayr weiter seine Pläne zur Verbesserung der archivalischen Lagerungsbedingungen. Als 1909/10 der Neubau des k.k. Minister­ratspräsidiums in ein konkretes Stadium zu treten schien, ergriff er wie­derum die Gelegenheit und forderte bei der Ausschreibung des Pro­jektes auch Archivräume für das Allgemeine Archiv vorzusehen. Er dachte dabei an 800 bis 1000 Meter belagfähiger Wände (die Archivalien in drei Meter Höhe und einem halben Meter Tiefe aufgestellt). Das wä­ren seiner Berechnung nach etwa dreißig Zimmer im Ausmaß von 6x6m, die nach Möglichkeit in einem eigenen abgeschlossenen Gebäu­deteil situiert werden sollten.11) Obwohl dieses Projekt schon weit ge­9) AVA, Plansammlung, A-II-c/215. 10) Schreiben des Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Friedrich Rechen, des rechts­freundlichen Vertreters des herzoglich Sachsen-Coburg-Gothaischen Fideikommisses, Min.d.Innern, Präs., 2, ad ZI. 1011/1902. Mit eben diesem Servitut wurden auch noch die Bauherrn des Hotels Marriott 1985 konfrontiert, die auf der Liegenschaft der ehern, k.k. Gartenbaugesellschaft ihr Bauprojekt aufführen wollten. Zwischen dem Hotelneu­bau und dem bestehenden Haus mußte ein breiter Hof freigehalten werden, zur freien Durchsicht vom und zum Palais Coburg. 11) AVA, Min.d.Innern, Präs., 2, ZI. 4022/1910. 24

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