Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)

AGSTNER, Rudolf: Von der österreichisch-ungarischen Botschaft zum österreichischen Generalkonsulat Berlin. Zur Geschichte der k. u. k. bzw. österreichischen Vertretungsbehörden in der deutschen Hauptstadt 1871–1991

Wach- und Schließgesellschaft“ die nächtliche Überwachung der Amts­lokalitäten110). Der 1. Weltkrieg brachte eine erhebliche Mehrbelastung für das Gene­ralkonsulat. Ende Oktober 1914 klagt Generalkonsul Szarvasy, daß „die Arbeitslast dieses k.u.k. Amtes sich immer mehr und mehr häuft, so daß die hier- amts zugeteilten Beamten, obwohl fast alle bis an die äußerste Grenze ihrer Leistungsfä­higkeit ihrer Aufgabe gerecht zu werden trachten, nicht mehr im Stande sind, dieselbe zu bewältigen. Eine bedeutende Zunahme der hieramtlichen Agenden bringen die mili­tärischen Abstellungen und Einberufungen mit sich, wie überhaupt die Anfragen in militärischen Angelegenheiten einen Umfang angenommen haben, daß ein Konzepts­beamter und drei Kanzleibeamte zur Erledigung der täglichen diesbezüglichen Arbeit kaum ausreichen. Die Unterstützung der im hiesigen Konsularbezirke verbliebenen Angehörigen von eingerückten Reservisten hat gleichfalls eine gewaltige Steigerung der Korrespondenz dieses k.u.k. Generalkonsulates hervorgerufen, so daß Rückstände un­ausweichlich wären, wenn nicht eine Vermehrung der Arbeitskräfte eintreten würde. In diesem Zweige allein beläuft sich die Zahl der täglich expedierten hieramtlichen Schrei­ben auf ca. 300, unter denen viele sehr umfangreiche sind. Die ausgedehnte Korrespon­denz, welche aus den Unterstützungen resultiert, erklärt sich aus dem Umstande, daß fast 2000 Reservistenfamilien außerhalb Berlins wohnen. Lediglich die Auszahlung der in Berlin ansässigen Reservistenfrauen, von denen täglich 160-200 ihre Unterstützungen beheben, absorbiert drei Beamte von 9 bis 12 Uhr. Eine weitere bedeutsame Zunahme der Agenden steht mit Einberufung der Altersklassen 1878-1890 zu gewärtigen. Die Unterstützung und Heimbeförderung der Flüchtlinge aus feindlichen Ländern und aus Galizien hat in letzter Zeit ein ganz neues Arbeitsfeld geschaffen, das eine vielfach sehr zeitraubende Tätigkeit erheischt. Die freiwilligen Hilfskräfte, welche sich diesem k.u.k. Amte bei Kriegsausbruch zur Verfügung gestellt hatten, bleiben allmählich aus. Gegen­wärtig stehen nur mehr fünf freiwillige Hilfskräfte zur Verfügung, auf welche naturge­mäß nicht immer zu rechnen ist und deren Verwendungsmöglichkeit auch vielfach sehr beschränkt ist.“ Generalkonsul Szarvasy bittet daher, seinem Amt mindestens drei Ranzleikräfte zur Verfügung zu stellen bzw. um Ermächtigung, solche zu engagieren111). Im Verlauf des ersten Weltkrieges sollte sich bald herausstellen, daß das 1912 bezogene Amtsgebäude in der Reithstraße 19 zu klein war. Am 1. Mai 1915 berichtet GR Szarvasy, daß „die Erweiterung der Räumlichkei­ten dieses k.u.k. GR sich angesichts des gewaltigen Parteienverkehrs und der andauernden Zunahme der hieramtlichen Agenden gegenwär­tig als eine gebieterische, nunmehr nicht länger aufschiebbare Notwen­digkeit erweist“ und gibt eine aufschlußreiche Schilderung der Zu­stände am GR Berlin: „Zur Auszahlung der Familienunterhaltsbeiträge finden sich gegenwärtig ca. 400 Frauen an einem Tage im Amte ein; da ein Wartezimmer nicht vorhanden ist, drängen sich dieselben in dem engen Korridor, wodurch sowohl der Eingang für die übrigen Parteien versperrt, als die Zirkulierung der Beamten unmöglich gemacht wird. Bei dem kolossa­Von der österreichisch-ungarischen Botschaft zum Österreichischen Generalkonsulat Berlin 110) HHStA, AR F 8, K 86 111) HHStA, AR F8, K 85, 8 Berlin 56, 34.442A res vom 28.10. 1914, f.2 295

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