Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)
WURM, Heidrun: Entstehung und Aufhebung des osmanischen Generalkonsulates in Wien (1726–1732). Eine Relation Heinrich von Penklers aus dem Jahre 1761
Heidrun Wurm Besonders ungünstig war der sechste Artikel dieses zu Passarowitz vereinbarten Handelsvertrages; seine Wirkung reicht bis in die Gegenwart, und er lautet wie folgt: Articulus Sextus. Portae Ottomannicae pro securitate et tranquillitate suorum subditorum et mercatorum ad tractanda necessaria eorundem negotia Procuratores vulgo Schah Bender dictos, in ditionibus Caesa- reo-Regiis constituere volenti liberum esto, ordinesque ab Aula Imperiali Sacro-Romano-Caesareae-Regiaeque Majestatis officialibus, cuiuscunque conditionis dabuntur, ut praedicti Ottoinannico diplomate muniti Procuratores in illis locis, ubi commercii necessitas requirit, protegantur; nulláque molestia afficiantur, et si Turcicorum mercatorum quispiam é vita discesserit, relicta ipsius bona saepiús dictus Otto- mannus Procurator custodienda recipiat33 * 35). Wenn man sich wenigstens an den Inhalt der Verträge der anderen christlichen Mächte mit der Pforte gehalten hätte, wäre der Schaden nicht so groß gewesen. Diese haben immer darauf geachtet, daß in ihren Verträgen nur die Untertanen und Produkte des eigenen Landes begünstigt wurden. Reziprozität strebten sie nie an und verstanden sie auch immer zu vermeiden. Dagegen ist der Passarowitzer Handels- und 33) Deutsche Übersetzung: Wenn die ottomanische Pforte, um zur Sicherheit und Ruhe ihrer Untertanen und Kaufleute die notwendigen Geschäfte abzuhandeln, einige Sachwalter oder sogenannte Sachbender in dem k.k. Gebiete bestellen wollte: so soll ihr dieses frei stehn, und es werden deswegen von dem k.k. Hofe an die Beamten welches Standes sie sein, Befehle ausgefertiget werden, damit besagte, mit dem ottomanischen Gewaltsbriefe versehene Sachwalter an den Orten, wo es die Notwendigkeit der Handlung heischet, geschützet und ihnen keine Beschwerden zugefüget werden: und sollte jemand von den türkischen Kaufleuten mit Tode abgehen, so soll besagter Sachwalter desselben Güter in Verwahrung nehmen, (nach Die Kapitulationen und Handelsverträge 432). Der türkische Originaltext in Mucähedät-i cumümiye megrmTasi 3 (Istanbul 1297h. (1879) 117. Der Terminus sähbender (wörtl. „Herr des Stapelplatzes“) entstammt der mittelalterlichen persisch-arabischen Handelssprache aus dem Bereich des Indienhandels. Er ist seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar als Funktionsbezeichnung der innerstaatlichen Fernhandelsverwaltung, wobei der sähbender überwiegend als administratives Bindeglied zwischen der fremden Kaufmannschaft und der lokalen Regierung erscheint. Die Geschichte des Terminus ist auch für die osmanische Zeit erst fragmentarisch faßbar. Mit seiner Übertragung auf das von Europa übernommene Konsularamt sollte möglicherweise auch die nicht-muslimische Herkunft der neuen Einrichtung kaschiert werden. Zum Gebrauch des Terminus s. u.a. W.H. Moreland The Shahbandar in the Eastern seas in Journal of the Royal Asiatic Society 1920 (London) 517-333; Hamilton Gibb u. Harold Bowen Islamic society and the West. A study of the impact of Western civilization on Moslem culture in the Near East 1,1 (London 1950) 303; Klaus Kreiser Edirne im 17. Jahrhundert nach Evliyä (Jelebi. Ein Beitrag zur Kenntnis der osmanischen Stadt (Freiburg 1975) 32,41; Bruce Masters The origins of Western economic dominance in the Middle East. Mercantilism and the Islamic economy in Aleppo. 1600-1750 (New York 1988) 57ff, 136; Findley Bureaucratic reform 127f.; Übersetzung des Terminus nach Hammer Geschichte 7 313. 162