Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)

PICHORNER, Franz: Patente und Instruktionen für die Statthalter der Österreichischen Niederlande (1715–1726)

Franz Pichorner die Grafen Philipp Ludwig Sinzendorf und Gundacker Starhemberg21), der Erzbischof von Valencia22), Conte Rocco Stella23) und Marqués de Rialp teil. Schließlich war Johann Georg von Ruol Protokollführer. Das Ergebnis dieser Reratungen ist auch in einem, in deutscher Sprache abgefaßten, Vortrag an den Kaiser erhalten24). Nachdem man in der ßarrierefrage endlich zu einer Übereinkunft gekommen war, sollte Karl VI. durch feierliche Inauguration möglichst rasch von den nieder­ländischen Provinzen ßesitz ergreifen. Prinz Eugen, dem der Kaiser die Regierung über die Niederlande übertragen wollte, gab zu bedenken, daß seine Ämter in Wien, die Gefahr eines neuen Türkenkrieges, sowie die kurze Zeit und die weite Entfernung es schwer oder gar nicht zulie­ßen, persönlich in die Niederlande zu reisen. Daher wurde überlegt, wer die Inauguration durchführen könnte und in welcher Form die künftige Regierung einzurichten wäre. Die Mitglieder der Geheimen Konferenz diskutierten, in welchem Stil die Niederlande zu regieren wären: sollte der spanische Regierungsstil, die französische Regie­rungsform fortgesetzt werden, oder wollte man im Stil der englisch­holländischen ßesatzungsmächte regieren25)? Die Geheime Konferenz befand schließlich die anjouische für tauglich, die „engel- und holländi­sche als höchst schädlich und die spanische als allzu sumptuos und un- würtschaftlich“26). Die Zerrüttung des Landes nach den langen Kriegs­21) Gundacker Graf Starhemberg (1663-1745) war seit 1703 Hofkammerpräsident. Vgl. Brigitte Holl, Hofkammerpräsident Gundaker Thomas Graf Starhemberg und die österreichische Finanzpolitik der Barockzeit 1703-1715, Wien 1976 (= Archiv für Österrei­chische Geschichte, 132). 22) Antonio Folch de Cardona (1658-1724), von 1713 bis 1724 Präsident des Spani­schen Rates. Vgl. Heinrich Benedikt, Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI., Wien 1927, 228f.; Reitter, Der Spanische Bat, (wie Anm. 10) 55-60. 23) Rocco Conte Stella (ca. 1670-1720) Neapolitaner, der im Gefolge Karls VI. nach Wien kam und ein bevorzugter Berater des Kaisers wurde, der ihn auch zum Geheimen Rat beförderte. Vgl. Braubach, Prinz Eugen 3 (wie Anm. 16) 243-244; Alfred von Ar- neth, Prinz Eugen 2, Wien 1864, 352-353; Markus Landau, Geschichte Kaiser Karls VI. als König von Spanien, Stuttgart 1889, 359-361. 24) HHStA, StK Vorträge K 20, fol. 77r-81v, ebenda, fol. 118r-123r. 25) Vgl. HHStA, StK Vorträge, K 20, fol. 118v-119r. 26) HHStA, StK Vorträge K 20, fol. 119v. Ab 1704 hatten die Spanier und Franzosen die Verteidigung der Südlichen Niederlande in eigener Verantwortung übernommen und nicht mehr Max Emanuel. Die Reformen des Grafen Bergeyck, den man den belgi­schen Colbert genannt hatte, mit seiner Reorganisation des Heeres, der Finanzen und der Verwaltung nützten aber nicht mehr viel. Die Zwangsrekrutierungen, die Lebens­mittelknappheit, die systematische Verfolgung der Jansenisten, eine neuerliche wirt­schaftliche Rezession und die unbeliebten Reformen sowie die Angst der Niederländer vor einem Verlust ihrer Privilegien ließen das Ende des „Regime Angeoin“ als Befreiung erscheinen. Die flandrischen Stände anerkannten damals Karl III. als ihren Souverän, weil er die Reformen des anjouischen Regimes wieder zunichte machte und die nieder­ländischen Privilegien, die durch dieses Reformwerk zumindest in Frage gestellt worden 134

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