Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

BROUCEK, Peter: Ungedruckte Prüfungsarbeiten aus Österreich zur österreichischen Militärgeschichte bis 1988

Rezensionen tschechischen Agrarier vertagt und erst drei Tage vor Kriegsausbruch, am 25. Juli 1914, geschlossen. Ebenso wie die Parteien und Klubs waren die Völker der Monarchie rechtlich und formal keine Gliederungselemente des konstitutionellen Systems. Ihnen wurde weder in der Verfassung von 1867 noch in anderen Gesetzen und auch nicht in den Geschäftsordnun­gen der beiden Häuser des Reichsrats ein politisches Mitwirkungsrecht zuerkannt. Aber ebenso, wie die Klubs tragende Organisationen des Reichsrats waren, bildeten späte­stens seit der Jahrhundertwende die Nationalitäten - wie Gerald Stourzh an anderer Stelle ausführte - faktisch eine konstitutives Element des Staates. In diesem Zusammen­hang kommt die bemerkenswerte Studie „Die Vertretung der Nationalitäten im Reichs­rat“ (S. 185-222) von Lothar Hobelt zu neuen Ergebnissen und Einsichten. Die nationale Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses blieb, wie er mit Tabellen und Kartogram­men verdeutlicht, seit Ende der achtziger Jahre weitgehend konstant; auch im Herren­haus kam es aufgrund der Ernennungspraxis kaum zu Veränderungen. Helmut Widder betont in seinem Überblick über „Die Entstehung und Entwicklung des Parlamentarismus der Republik Österreich“ (S. 225-259) die personelle Kontinuität und das Fortwirken parlamentarischer Traditionen der Monarchie über 1918 hinaus, ohne die tiefgreifenden Veränderungen zu vernachlässigen. Der Geschichte der drei parla­mentarischen Institutionen auf Bundesebene in der Ersten und Zweiten Republik wid­men sich die folgenden Beiträge. Mit beispielhafter Systematik stellt Helmut Widder („Der Nationalrat“, S. 261-556) handbuchartig Bildung, Organisation und Funktion des Nationalrates unter Einbeziehung der historischen Veränderungen zwischen 1918 und 1986 vor. Irmgard Kathrein legt in ihrem Aufsatz „Der Bundesrat“ (S. 557-401) das Schwergewicht auf die Reformen von 1984 und thematisiert das Föderalismus-Problem. Einen kurzen Abriß über die Entstehung und Sitzungen der „Bundesversammlung“ gibt Konrad Atzwanger (S.405-428). Klaus Berchtold („Die politischen Parteien und ihre par­lamentarischen Klubs seit 1918“, S. 429-469) setzt seinen fraktionshistorischen Über­blick für die republikanische Zeit fort und stellt fest, daß die Klubs - als Parteien im Parlament - in den Jahren 1918 bis 1920 die größte Bedeutung hatten. Eher journali­stisch, mit grob gerasterten Statistiken versehen und ohne eine - wünschenswerte - historisch detaillierte Aufarbeitung behandelt Irene Dyk die „Frauen im österreichi­schen Parlament“ (S. 471-497). Die Unterrepräsentation von Frauen im österreichischen Parlament spiegelt sich aber auch in der geringen Berücksichtigung von Autorinnen im vorliegenden Band wider. Zur Geschichte der parlamentsinternen Institutionen liegen bislang keine Forschungen vor, umso erfreulicher ist die auf Archivalien aufbauende Studie des verstorbenen Parlamentsdirektors Wilhelm F. Czerny über „Die Entwicklung der österreichischen Parlamentsadministration“ (S. 499-527). In den folgenden Beiträgen überwiegen juristische Betrachtungen und die Diskussion aktueller parlamentarischer Fragen, auch wenn immer wieder auf historische Aspekte hingewiesen wird, beispielsweise von Franz Löschnak („Die Regierung und das Parla­ment“, S. 551-559), der rechtshistorisch die Veränderungen des Verhältnisses von Regie­rung und Nationalrat behandelt. In den verschiedenen Studien werden unterschiedliche Einschätzungen des heutigen Systems deutlich. Allgemein wird die Gewichtsverlage­rung bei der Vorbereitung und Entstehung von Gesetzesentwürfen vom Parlament zur Regierung, u. a. verursacht durch die Kompetenz der Verwaltung, beklagt - so von Fried­helm Frischenschlager („Zur Praxis der parlamentarischen Arbeit im österreichischen Nationalrat“, S. 725-755) - und der Ausbau der parlamentarischen Minderheitenrechte zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrollfunktion gefordert. Kritische Überle­gungen von Manfried Welan zum Thema „Demokratischer Rechtsstaat und modernes Regierungssystem“ (S. 561-582) gipfeln in der Frage: „Ist die Verfassungswirklichkeit der Zweiten Republik verfassungswidrig?“ (S.575). Zu korporativen Aspekten des modernen österreichischen Parlamentarismus nehmen Herbert Reiger („Die Bundesgesetzgebung und die Interessenvertretungen“, S. 585-611) 429

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