Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)
HEPPNER, Harald: Serbien im Jahre 1889 nach einem Bericht Ludwig von Thallóczy's
Serbien im Jahre 1889 zur Antwort; dann fing ein To[hu]vabohu an, welches mit dem Vernichtungsrufe auf die Schwaben und Magyaren endete. Die Bosniaken und auch die ungarischen Serben hielten sich sehr gut, tranken zwar zu, aber keiner geberdete sich so toll wie die Russen und russophilen Serben. Die russische Hymne wurde unzähligemal gesungen, aber zu einer Ausschreitung kam es nicht; es war kein Anlass und nicht genug Wein vorhanden. Bei dieser Gelegenheit erzählte man mir, dass Risztics auf das Monument des Fürsten Michael139) 3 Dukaten gab; wieviel er wohl jetzt geben wird? Übrigens, trotz diesem üblichen, aber ganz harmlosen Getümmel erhielt ich mitten im Trouble „Zivio’s“; die Leute unterhielten sich gut. Abends ging ein Fackelzug und ein gelungenes Feuerwerk los, der Salbungsjubel dauerte bis Mitternacht, und dann waren die be- schwor[e]nen Manen des armen Czaren Lazar und die des starken Dusán159 160) wieder gebannt. Als alles vorüber war, sagte [n] mir Pera Todorovic und der sehr scharfsinnige Tajsic (ein Uzicaner, dessen Portrait ich hiemit beilege)161): Herr Tisza162) hatte Recht, die Serben nicht hieher zu lassen, sie wären enttäuscht gewesen. Und es ist viel Wahres daran. Persianis Debut ausgenommen, täuschten sich Alle in dem Erfolge. Das grosserbische Geflunker verfieng nicht, man traute sich nicht, Farbe zu bekennen, log und wusste, dass man ihnen doch nicht glaubte. Die Geschichte der Balkaninsel hat - mit einem Worte - diesen ganzen Act nicht gespürt. Einzig und allein der kleine König hatte seine Freude; er erweckte Sympathien, die Obrenovice wurden wieder von Russland anerkannt und die Bauern, welche die sehr schlecht erhaltenen, aber sonst guten Wege und die Brücken ä la Potemkin163) in 5-6 Tagen renoviren mussten, erzielten gute Taglöhne. Die Festlichkeiten waren nicht verklungen, schon hörte man in Kraljevo über Räubereien der „Hayduken“ an der Hauptfahrstrasse nach Kragu- jevac zu. Wenn es wahr ist, wurde der Wagen Herrn Habels, oesterrei- chischer Dragoman in Belgrad164), am 2. Juli angehalten. Ich bin über159) Mihailo Obrenovic (1823-1868), Sohn von Milos, 1839-1842, 1860-1868 serbischer Fürst. 160) Stefan Dusán (um 1308-1355), serbischer König, ab 1346 Zar, führte Serbien im Mittelalter zu seinem Höhepunkt. 161) Befindet sich in der Beilage des Berichts. 162) Tisza Kálmán (1830-1902), ungarischer Staatsmann, 1875-1890 ungarischer Ministerpräsident, Führer der ungarischen Liberalen. 163) Grigorij Aleksandrovic Potemkin (1739-1791), russischer Staatsmann, Günstling der Zarin Katharina II., Urheber der „Potemkin’schen Dörfer“ (Scheinerfolge). 164) Siehe Anmerkung 110. 189