Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

HEPPNER, Harald: Serbien im Jahre 1889 nach einem Bericht Ludwig von Thallóczy's

Harald Heppner gute Herr, beseelt von Wohlwollen für Oesterreich, wurde durch Herrn Mijatovic, diesen Bajazzo, am Gänge[l]seil geführt. Er kaufte sich eine Karte Serbiens, Reise-Chokolade und nahm sich als Dolmetsch Herrn Vándory, Correspondent der „Correspondance de l’Est“105), einen ein­fältigen Schwindler semitischer Rage mit, entdeckte Serbien und glaubte Alles. Er nahm es sich sehr zu Herzen, dass der kleine König ihm nicht die Hand gab und nicht rufen liess. Dann war Herr Burchier von der „XIX. Century“106) dort, ein tauber, langer Engländer, ferner Herr Beeman von „Standard“107), der während der Festlichkeiten mit Vorliebe die Geistlichkeit mahltef!]. Zugegen war Dr. Esser von der „Kölnischen Zeitung“108), ein sehr gebildeter, klassischer Correspon­dent, dessen Berichte Graf Herbert Bismarck109) liest. Ein junger Ungar repräsentirte ein budapester Blatt, hatte aber wenig Geld, so wie auch der Referent der „Münchner Allgemeinen“, der wie Richards Alles glaubte. Unsere Gesandtschaft war durch den Dragoman110) vertreten, der als k. k. Spion keine allzu große Achtung genoß. Von Russen waren Hitrovo111), Correspondent der „Agence du Nord“, ein beschränkter Kleinrusse, Herr Kulakowski112) vom „Varsavski Dnevnik“, ein decorir- ter magenleidender Panslave, Uarkin von der „Moskovskie Ujedo- mostj“113), ein Schwindler, und Prof. Racubinski aus Odessa, guter Sän­ger und sonst eine ehrliche russische Haut, zugegen. Wie bemerkt, hat­ten die Russen das Unglück, sich durch ganz unbedeutende Ueute re- präsentiren zu lassen. Trotz aller Propaganda und Sympathie waren die 105) Erscheinungsort Wien, hg. von Ernst von Rosenberg. 106) London 1877-1900, Monatszeitschrift, Fortsetzung „Twentieth Century“. 107) Londoner Zeitung konservativer Ausrichtung, 1827 gegründet, hauptsächlich als Abendblatt. 108) Erschien in Köln 1803-1815, 1841—1945, unabhängiges Blatt. 109) Nikolaus Heinrich Ferdinand Herbert Graf von Bismarck (1849-1904), Sohn des Reichskanzlers Otto, seit 1886 Staatssekretär im Deutschen Auswärtigen Amt. 110) Weiter unten im Text ist von Herrn „Habel“ die Rede. Im Hof- und Staatshand­buch der österreichisch-ungarischen Monarchie (Wien 1889) 259, 271 ist allerdings kein Dragoman (Dolmetscher) dieses Namens verzeichnet. Im diplomatischen Bericht über die Krusevacer Feier (Amerkung 103) ist nur von einem Konfidenten der Gesandtschaft die Rede. 111) In Fünf Jahre am Hof des Königs von Serbien. Politisch-feuilletonistische Aufzeich­nungen 1889-1894. Von einem Diplomaten (Leipzig 1895) 69 wird ein gewisser „Hitrovo“ als Dragoman der russischen Gesandtschaft in Belgrad genannt. 112) Platon Andreevic Kulakowski (1848—1913), russischer Publizist und Slawist, ab 1884 Lektor in Warschau. 113) „Moskovskie Vjedomosti“ (=„Moskauer Nachrichten“), gegründet 1756. 180

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