Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)
AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)
470 Literaturberichte NSDAP verwahrt wird, in dem, wie sich der Rezensent überzeugen konnte, auch Tirol und Vorarlberg erwähnt werden. Klaus-Dieter Mulley (Wien) Theodor Veiter „Das 34er Jahr“. Bürgerkrieg in Österreich. Amalthea Verlag, Wien- München 1984. 328 S. Wenn ein großdeutsch-liberal eingestellter ehemaliger christlich-sozialer Politiker der zweiten Reihe ohne jegliche Scheu vor Kritik an nahezu allen politischen Kräften der Zwischenkriegszeit über die Ära zwischen Justizpalastbrand und den Anfängen der Regierung Schuschnigg berichtet, so läßt dies den an Literatur des politischen Festungsdenkens gewohnten Leser aufhorchen. Wenn es einem Zeitzeugen auch noch gelingt, trotz emotionell begründeter Polemik in einigen wenigen Details nahezu die gesamte zu dem Thema erschienene Literatur — angefangen von ideologisch verhafteten Stellungnahmen der Dreißiger] ahre aus allen drei konkurrierenden Lagern - differenzierend einzuarbeiten, so verdient diese Symbiose aus Oral History und wissenschaftlicher Forschung aus dem Meer von 1984 erschienener Jubiläumsliteratur hervorgehoben zu werden. Theodor Veiter war Sekretär der christlich-sozialen Bundesfraktion im Parlament, Spitzenfunktionär der christlich deutschen Hochschülerschaft Österreichs (KDHÖ) und als Leiter der amtlichen Pressestelle engster Vertrauter zahlreicher österreichischer Spitzenpolitiker. Er gehörte zu jenem Flügel der christlich-sozialen Partei, der vehement für den Anschluß an ein demokratisches Deutschland eintrat und dem großdeutsche, liberale Politiker wie Vizekanzler Winkler oder gemäßigte Sozialdemokraten wie Renner weitaus näherstanden als Steindle oder Fey, wobei er jedoch der Komplexität der Weltanschauungen, wie sie in den verschiedenen Führungsgremien des Heimatschutzes herrschte, nicht gerecht wird. Bei voller Aufrechterhaltung des Terminus „Austrofaschismus“ — der diesbezüglichen Kritik von Fritz Bock etwa wirft er vor, daß sie auf Unkenntnis beruhe - mißt er dem „austromarxistischen“ Lager ein gerüttelt Maß an Mitschuld für den Bürgerkrieg bei, ohne allerdings wie Gordon Sheperd, der dafür die sprachliche Brillanz angelsächsischer Schule einsetzen konnte, die unterschiedlichen Charaktere der sozialdemokratischen Partei genauer herauszuarbeiten. V’s Kritik am Ständestaat richtet sich hauptsächlich aus juristischer Sicht gegen dessen Zustandekommen und mag auch im damaligen Ausbooten der Anschluß-Befürworter, das er recht ausführlich beschreibt, seine Ursache haben: Emmerich Czermak oder Karl Hugelmann erfahren eine weitaus bessere Beurteilung als kompromißlose Anschlußgegner wie der Wiener Parteiobmann Robert Krasser. Trotz des manchmal äußerst pauschal wirkenden Vermengens von Heimwehrgedanken und Nationalsozialismus - wobei der ehemalige Hochschulpolitiker mit der NS-Pressure group an den Universitäten, dem nationalsozialistischen deutschen Studentenbund (NDStB), zum Teil ganz gut ausgekommen sein will - beurteilt V. führende Politiker der Ersten Republik wie Seipel, Buresch, Ender, Dollfuß und Schuschnigg völlig eigenständig und ohne Hauch von Subjektivität. Bei aller herben Kritik an Dollfuß’ politischer Strategie schätzt er dessen menschliche Eigenschaften und dessen Spontaneität, deren Zeuge bei zahlreichen Auslandsreisen (etwa nach Italien) er war. Zu dem nach Mayerling