Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

Rezensionen 441 ter zu urteilen. Durch seine Briefe aus Wien gewinnen wir manche neue Einsicht in die Gedankenwelt und Tätigkeiten der österreichischen Aufklärer, Freimaurer und Illuminaten. Ganz klar kommt zum Beispiel zum Ausdruck, daß die Trennung der österreichischen Freimaurerei von Berlin und die Grün­dung einer österreichischen Landesloge auf ausdrückliches Verlangen Josephs II. erfolgt war: „Als der Kaiser zur Regierung kam, entstanden plötzlich vier neue Logen, die sich von Berlin aus konstituieren ließen... Der Kaiser verlangte, die Brüder sollten, wenn er fortfahren sollte, sie zu schätzen, sich einen inländischen Großmeister wählen. Darauf kam das Schisma mit Berlin“. Den Geist, der unter den Wiener Illuminaten herrschte, bezeichnete Münter als „im allgemeinen nicht gut“, da die meisten „das ganze Christentum verworfen“ hätten und alle praktische Religion für „Priesterwerk“ hielten. Die Loge Ignaz von Borns „Zur wahren Eintracht“, in der die Wiener Illuminaten organisiert waren, wurde von den anderen Logen die Deistenloge genannt, „weil da am freiesten wider die Pfaffen losgezogen wurde“. Die Briefe Borns an Münter bezeugen die tiefe Feindschaft zwischen der Rosenkreuzerischen und der Illuminatistischen Richtung innerhalb der Frei­maurerei. Dieser Feindschaft, mit der sich nach dem Freimaurerpatent vom Dezember 1785 andere verbanden, fiel schon 1786 Borns eigene Loge zum Opfer. Nach Italien reiste Münter im Auftrag Karls von Hessen. Aus dem Briefwechsel Münters läßt sich aber erkennen, daß in Wien der Auftrag der Wiener Illumina­ten dazukam, den Illuminatismus in diesem Land zu verbreiten, ja, selbst in Rom, „dem Hauptsitz der Dummheit und des Aberglaubens“, eine illuminati- stisch orientierte Freimaurerloge zu gründen. Über die praktische Möglichkeit einer derartigen Gründung gingen die Meinungen der Illuminaten weit ausein­ander. Dank seiner zahlreichen Verbindungen und Bekanntschaften erfuhr Münter viel von der Verfolgung der Illuminaten in Bayern. Hinsichtlich dieses Themas hat sich die Vfn. entschlossen, die von der Verfolgung Betroffenen- selbst zu Wort kommen zu lassen und so „einen wirksamen Gegenpol zu jenen Darstel­lungen zu liefern, die diese Verfolgungsmaßnahmen bagatellisieren“. Tatsäch­lich bezeugen die Briefe nicht nur die harten und übertriebenen Maßnahmen der kurbayerischen Regierung gegen die Illuminaten, sondern auch eine allge­meine Hysterie, die diese Maßnahmen unter der Bevölkerung Süddeutschlands auslösten. Der Graf Costanzo, dessen Briefe an Münter hier als vorzüglichste Quelle herangezogen werden, verlor als führender Illuminat sein Amt und sein Pensionsrecht als kurfürstlicher Hofkammerrat, wurde aus Bayern ausgewie­sen, vom Kreis seiner Familie in Italien ausgestoßen und fristete schließlich unter einem Pseudonym als italienischer Sprachmeister in Altdorf sein Leben. Er ertrug übrigens sein Schicksal mit stoischem Gleichmut und der unerschüt­terlichen Überzeugung, daß das System der Illuminaten das beste und brauch­barste wäre, um „große Welt- und Menschheit umschaffende und beglückende Wirkungen“ hervorzubringen. Als Quellenanhang sind aus dem bisher ungedruckten Briefwechsel drei Briefe von Born, neun von Costanzo und ein äußerst aufschlußreicher Brief Münters an seinen Vater aus Preßburg abgedruckt. Trotz mehrerer problematischer

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