Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)
LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes
.Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert 29 faßt ist158). Sie implizierte nicht nur, daß die noch universal gedachte Kirchenversammlung das nächste Mal auf Reichsboden stattfinden müsse, sondern auch die Ablehnung der päpstlichen Leitung und die Proklamie- rung des Bibelwortes als entscheidende Autorität für die Glaubenslehre 15B). Der bisher vorausgesetzte Konsens über das Konzil war mit diesen Grundsätzen hinfällig, auch wenn man sich dessen noch nicht so schnell bewußt geworden ist. Das Bestreiten des päpstlichen Einberufungsrechtes bedingte auch die Negierung seiner Genehmigung eines Nationalkonzils; damit entfiel eine wichtige Differenz zur Nationalversammlung1. In der politischen Auseinandersetzung haben die Protestanten dieses Wort wohl darum beibehalten, weil es früher unter den Reichsständen konsensfördernd gewesen war. In den verschiedenen Tagungen bis 1541 sahen sie keine .Nationalversammlung' 16°). In jenem Dokument jedoch, das den vorläufigen Schlußstrich unter die Phase der Religionsgespräche zog, im Reichstagsabschied von Regensburg 1541, ist für die Beschlußfassung über die Resultate der Theologenberatungen, die in vielen Punkten die von Karl V. erstrebte Einigung nicht gebracht hatten, neben dem Generalkonzil, das „in Teutscher nation zu halten“ sei, als Alternative abermals eine „National-Versammlung“ in Aussicht genommen. Gemeint war diesmal zweifelsfrei ein Nationalkonzil, denn die beiden Begriffe sind abwechselnd eingesetzt161). Die in den zwanziger Jahren geübte Differenzierung ist aufgegeben. Die Genesis des Abschiedes zeigt, daß sowohl die Hereinnahme der Alternative als auch der synonyme Gebrauch der Termini auf Voten der katholischen Ständemehrheit zurückzuführen sind 162). Schon in ihrer Stellungnahme zu den Ergebnissen der Theologenkonfevon Speyer 1526 die Alternative Generalkonzil — Nationalkonzü (!) gebraucht wird, so 130, 132 f, 140. Dazu Robert Stupperich Die Reformatoren und das Tridentinum in ARG 47 (1956) 30 f. iss) Zur Entwicklung der protestantischen Konzilsauffassung vgl. Peter Meinhold Das Konzil im Jahrhundert der Reformation in Hans-Joachim Mar gull (Hg.) Die ökumenischen Konzile der Christenheit (Stuttgart 1961) 217 ff; Stupperich Reformatoren 20 ff; Eike Wolgast Das Konzil in den Erörterungen der kursächsischen Theologen und Politiker 1533—1537 in ARG 73 (1982) 122 ff. iss) Entsprechend ist die Ablehnung der Einladung nach Trient begründet worden; vgl. J e d i n Konzil von Trient 1 241, 258 ff. i«») Aus ihrer Antwort auf die Einladung zum Religionsgespräch nach Speyer geht dies klar hervor; siehe Neuser Vorbereitung 91 f. 161) Neue Sammlung (wie Anm. 9) Teil 2 433 f (§ 19 Nationalversammlung, §21 Nationalkonzil, §22 Nationalversammlung, §23 Nationalkonzil, §26 beides); dieser Teil des Abschiedes auch in CR 4 Sp. 626 ff. 162) Zum Gesamtverlauf der Verhandlungen zuletzt Luttenberger Glaubenseinheit 233 ff. Früher Paul Heidrich Karl V. und die deutschen Protestanten am Vorabend des Schmalkaldischen Krieges 1. Teil: Die Reichstage der Jahre 1541—1543 (Frankfurt a. M. 1911) 29 ff; August Körte Die Konzilspolitik Karls V. in den Jahren 1538—1543 (Halle 1905) 42 ff.