Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes

.Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert 19 legte der Kurfürst dahin aus, dieser Reichstag könne „anstat ains Concilii oder Nacionalversamblung gehalten oder vorbracht“ werden 101). Dafür spricht zweitens, was sich der redaktionellen Variante in den sonst gleichlautenden Passagen zweier reichsständischer Dokumente vom zwei­ten Speyrer Reichstag (1529) entnehmen läßt. In ihnen wird als Antwort auf jene Mitteilung Ferdinands in der Reichstagsproposition, daß der Kai­ser (nur) das Generalkonzil als richtigen Weg zur Lösung der Religions­frage betrachte 102), von den Reichsständen an die „Nationalversammlung“ als Ersatzlösung neben dem Konzil erinnert. Es handelt sich um den Ent­wurf des Reichstagsabschieds und um ein Schreiben der Reichsstände an den Kaiser, die im großen Ausschuß parallel erarbeitet worden sind 103). Wo in ersterem bemerkt wurde: falls das Generalkonzil nicht rechtzeitig zustande käme, „des sich doch teutsch nacion ... keins wegs getrosten wolle, das alsdan ir ksl. m. ein gemein versamlung aller stende teutscher nacion und anderer, so darzu zu erfordern die notturft erhei­schen wirdet“, berufen möge104), sollte es aus stilistischen Gründen in dem Brief heißen: „das wir uns doch ... keins wegs vertrösten wol­len ...“ 105). Eine Notiz im Reichstagsprotokoll des Valentin von Tetleben, nachmaligen Bischofs von Hildesheim, verdeutlicht, daß mit den „ande­ren“ Leute „extra nationem germanicam“ gemeint waren, die für die Versammlung („conventus nationalis“) nützlich („utiles“) sein könnten106). Und Jacob Sturm berichtete nicht ganz wortgetreu, aber in erwünschter Weise präzisierend, die Alternative sei „ein nationalversamlung aller stende des reichs samt andern, so dozu zu berufen die notturft erfordern würde“ 107). Der vom Kaiser persönlich geleitete Augsburger Reichstag 1530 sollte auch für unser Problem von Bedeutung werden. bürg im Jahre 1530, hg. v. Karl Eduard Förstemann, 2 Bde (Halle 1833— 35, ND Hildesheim 1966); hier 1 8. 101) Ebenda 111 und 24. 102) RTA JR 7, bearb. von Johannes Kühn (Stuttgart 1935) 1132 f. Zu den Unterschieden zwischen der verlesenen Proposition und derjenigen, die dem Kaiser Vorgelegen haben soll, siehe Johannes Kühn Wer trägt die Verant­wortung an der Entstehung des politischen Protestantismus? in Festschrift für Walter Goetz (Leipzig—Berlin 1927) 215—228; dsbe Die Geschichte des Speyrer Reichstags 1529 (Leipzig 1929) 59 ff. Indessen bedarf es m. E. einer neuen Er­örterung, wie weit Ferdinand sich damit von den Ansichten des Bruders ent­fernt hat. 103) vgi. Wolfgang Steglich Die Stellung der evangelischen Reichsstände und Reichsstädte zu Karl V. zwischen Protestation und Konfession 1529/30 in Archiv für Reformationsgeschichte [= ARG] 62 (1971) 165, der hervorhebt, daß die Altkirchlichen diese Wiederholung durchsetzten. 104) RTA JR 7 1142 Z.2—5; im Reichstagsabschied ist der erste oben zitierte Teilsatz gestrichen worden (vgl. ebenda Anm. 1). los) RTA JR 7 1271 Z. 14—17. 106) RTA JR 7 573. io?) Corr. Straßburg 1 324. 2*

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