Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

SCHMIDL, Erwin A.: Zur Geschichte der k. (u.) k. Konsularvertretungen im südlichen Afrika bis zum Ersten Weltkrieg

254 Erwin A. Schmidl die Beurteilung. Recht hatte Ramberg allerdings, wenn er Kostanjevic vorwarf, er wisse nicht, „wie englische Behörden hierzulande behandelt werden müssen“, auch entspräche sein Lebensstil keineswegs dem eines Konsularbeamten: Kostanjevic, der mit £ 30,— im Monat um £ 5,— weniger als der ihm unterstellte Adolf Wözl verdiente, lebte im Amtsge­bäude, kochte sein Frühstück und Abendessen auf einem Petroleumofen selber, aß äußerst bescheiden zu Mittag und konnte es sich nicht einmal mehr leisten, Manschetten zu tragen, da er an Wäschekosten sparen mußte ... In seiner kleinen Wohnung im Amtsgebäude lebte Kostanjevic „wie ein Einsiedler“, umgeben von seinen Affen, Vögeln und anderen Tie­ren, die er selbst betreute 126). Anders als Ramberg kam der seit Ende 1903 in Kapstadt amtierende k. u. k. Konsul von Lieder bestens mit Ko­stanjevic aus. Kostanjevic wurde im November 1903 aus Pretoria ab­berufen und trat mit 7. Dezember seinen Dienst beim Generalkonsulat Kapstadt an, während der bisherige Gerent des Kapstädter Amtes, Baron Ramberg, die Leitung der Expositur in Pretoria übernahm 127). Es ist aber auch angebracht, die vielen Schwierigkeiten zu erwähnen, mit denen Vizekonsul Pitner und Kanzleisekretär Kostanjevic zu kämpfen hatten. War die Arbeit der Prüfung, Bearbeitung und Einreichung der österreichischen und ungarischen Schadenersatzansprüche an die briti­schen Militärbehörden ja schon kompliziert genug, so mußten die k. u. k. Konsularfunktionäre auch mit allerlei kleinlichen Schikanen fertig wer­den. Pitner zum Beispiel wäre am 18. Oktober 1901 fast verhaftet wor­den, als er in einen Zug einsteigen wollte und sich weigerte, einem Poli­zisten einen Brief zu zeigen, der aus seiner Brusttasche hervorschaute 128). Nicht zuletzt aufgrund der Schwierigkeiten mit den britischen Behörden und um ihre Tätigkeit für die eigenen Staatsbürger nicht zu gefährden, verzichteten die ausländischen Konsularvertreter auf gemeinsame offiziel­le Demarchen gegen die brutalen Begleiterscheinungen der britischen „Counter-Guerrilla“. Dies betraf beispielsweise die gegen die Regeln des Kriegsvölkerrechts verstoßende Praxis, vor Eisenbahnzügen Güterwag­gons mit zivilen Geiseln zu führen, um den häufigen Sprengstoffanschlä­gen auf die Bahnlinien vorzubeugen 12S). Vor allem aber stellte sich das Problem einer etwaigen Intervention angesichts der katastrophalen Zu­stände in den Flüchtlingslagern, die nach spanisch-kubanischem Vorbild 126) Ebenda und Kostanjevic an MdÄ, 1902 November 20, Pretoria: ebenda 1/3. 127) Lieder an MdÄ n. CXCII, 1903 Dezember 9, Kapstadt: ebenda 1/6. 128) Pitner an Maxwell (Militärgouverneur Pretoria), 1901 Oktober 20, Pre­toria: TAB Military Governor Pretoria 128, 13733 b/01. 129) Pitner an MdÄ n. 20 P, 1901 September 13, Pretoria: Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Politisches Archiv (zit. P. A.) XXXVIII 319 Konvolut Pre­toria 1901. Zu diesem Thema: S. B. Spies Methods of Barbarism? Roberts and Kitchener and Civilians in the Boer Republics: January 1900 — May 1902 (Capetown — Pretoria 21978). Zur Geschichte und Terminologie der „Konzen­trationslager“: Andrzej J. Kaminski Konzentrationslager 1896 bis heute. Eine Analyse (Stuttgart—Berlin—Köln—Mainz 1982).

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