Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

DUCHHARDT, Heinz: Das Tunisunternehmen Karls V. 1535

Das Tunisuntemehmen Karls V. 1535 69 tät, Pragmatismus eines „nationalen“ Monarchen auf der anderen Seite noch einmal deutlich widerspiegelt, völkerrechtsgeschichtlich aber deutlich in die Zukunft weist. Karl V. fühlt sich an mehr als an einer Stelle berufen, für die ganze Christenheit, nicht nur für seinen und seines Bruders Herrschaftsbe­reich, zu handeln, so z. B. allen Christen einen besseren Rechtsschutz zu verschaffen154), allen die freie Ausübung des christlichen Kultes zu ermögli­chen155), die Freilassung aller christlichen Gefangenen zu erreichen. Aber im selben Dokument verkörpert er den spanischen Herrscher, läßt den Vertrag in kastilischer Sprache, nicht etwa im üblichen Latein, ausfertigen, unter­schreibt ihn nach spanischer Übung mit „Yo el Rey“ und handelt in bezug auf die konvertierten Mauren, die Moriscos156), und auf die Handelsfreiheit ganz und gar nach spanischen Interessen. Das Bemerkenswerteste an dem Vertrag sind freilich die ausdrücklichen Ewigkeitsklauseln, die ihn in der Geschichte der völkerrechtlichen Vertragsbeziehungen relativ vereinzelt dastehen las­sen157): Die Übereinkunft wird ausdrücklich auf die beiderseitigen „hoirs et successeurs“ ausgedehnt, alle getroffenen Vereinbarungen sollen „perpetuelle- ment et ä toujours“ in Gültigkeit bleiben. Die Regel in den völkerrechtlichen Vertragsbeziehungen christlicher und muslimischer Staaten im Mittelmeer­raum war nämlich das ganze Spätmittelalter hindurch aus den verschiedensten Gründen - Rückeroberungsmentalität auf christlicher Seite in Spanien, Novel - lierungs- und Revisionsbedürftigkeit von Handelsverträgen, mudärä-Kon- struktion auf maurisch-islamischer Seite - der befristete, meist 10jährige Vertrag158 *). Es gibt im 15. Jahrhundert nur wenige Beispiele von Verträgen maghrebinischer Fürsten mit europäischen Kronen, die ausdrücklich oder implizit ewig sind. Immerhin ist hier auf spanischer und auf nordafrikanisch­muslimischer Seite allmählich doch ein gewisser Pragmatismus erkennbar, ein Abgehen von der starren Ideologie, so problematisch dies für einen muslimi­schen Souverän auch war158). Die Römischen Kaiser waren im Mittelmeerraum natürlich kaum völkerrechtlich aktiv, ihre Kontakte mit dem Islam beschränk­154) Ein Motiv, das in Karls Politik durchaus ja auch schon früher nachzuweisen ist: 1533 wollte er bei Verhandlungen mit der Pforte in einen Friedensvertrag z. B. sämtliche christlichen Mächte eingeschlossen wissen; Hammer-Purgstall Geschichte des Osma- nischen Reiches 3 129ff. 155) Dieses Motiv ist an sich nicht so sensationell, wie man annehmen könnte; eine gewisse Toleranz gegenüber dem Christentum hatte - wie auch im osmanischen Reich (vgl. Göllner Turcica 3 221) - im mohammedanischen Tunis seit langem Tradition; vgl. Fisher Barbary Legend 24. 156) Es wird (§ 4) Mulay Hasan strikt untersagt, Morisken in sein Reich aufzunehmen: Man wird dies auch im Licht der Tatsache sehen müssen, daß es spanische Morisken gewesen waren, die der Herrschaftsübernahme Barbarossas in Tunis im August 1534 ganz entscheidend den Weg geebnet hatten. Vgl. Sandoval Historia 474f. 157) Vgl., auch zum folgenden, Jörg Fisch Krieg und Frieden im Friedensvertrag (Stuttgart 1979) 379ff. 15B) Zur Symbolik und Bedeutung der Zahl „10“ für die islamischen Völker vgl. Hammer-Purgstall Geschichte des Osmanischen Reiches 3 4. 158) Dazu Hans Joachim Kissling Rechtsproblematiken in den christlich-muslimi­schen Beziehungen, vorab im Zeitalter der Türkenkriege (Graz 1974).

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