Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

MARZAHL, Peter – RABE, Horst – STRATENWERTH, Heide – THOMAS, Christiane: Stückverzeichnis zum Bestand Belgien PA des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien

Rezensionen 481 den einstigen Trägern des Landesbewußtseins gewidmet ist, so zeigt sich darin das gesteigerte Interesse, das heute ganz allgemein den ständischen Vertretun­gen des Ancien Régime entgegengebracht wird. Freilich ist davor zu warnen, das Ständewesen nur als eine Art Vorstufe der modernen Demokratie zu sehen, vielmehr geht es um eine differenzierte Betrachtung der ständischen Formen in den einzelnen Ländern und auf dieser Basis dann um die Erstellung kompara- tistischer Untersuchungen, wie sie etwa Herbert Hassinger für die österreichi­schen Länder vorgelegt hat (vgl. Ständische Vertretungen in den althabsburgi­schen Ländern und in Salzburg in Dietrich Gerhard (Hg.] Ständische Vertre­tungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert [Göttingen 1969] 247—285). Der Klassenegoismus der meist von Adel und Geistlichkeit dominierten Stände ist schon am Beginn des 19. Jahrhunderts auf Kritik gestoßen - man denke nur an die spöttischen Worte Eduard von Bauernfelds: „Raubritters Söhn’ - man nennt sie Ständ“1 - und wird auch heute in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder zu Recht betont. Dennoch muß man auch darauf verweisen, daß die föderalistische Struktur der heutigen Republik Österreich zu einem Gutteil auf das Konto dieser Stände geht, die tatsächlich die Interessen der Länder wahrgenommen haben und allein durch ihre Existenz den Bau eines Zentral­staates mit nach rein rationalen Kriterien gebildeten kleineren Verwaltungs­einheiten im Zeitalter des Absolutismus verhindert haben. Dabei weisen Zu­sammensetzung und Wirkungsweise der Stände in jedem der österreichischen Länder spezifische Merkmale auf. Die größte Ähnlichkeit zeigen dabei noch Ober- und Niederösterreich, da nur in diesen Ländern vier Kurien vorhanden gewesen sind (Prälaten, Herren, Ritter und Städte). Die Vfn gibt in ihrer Studie zunächst einen chronologischen Überblick über die allgemeine Entwicklung des niederösterreichischen Ständewesens von den mittelalterlichen Anfängen bis zum Revolutions]ahr 1848. Dabei kommen auch verschiedene Probleme zur Sprache, wie die Anfänge des ständischen Steuer­bewilligungsrechtes, die ständische Opposition gegen den Landesfürsten (Friedrich III., Ferdinand II.), die ständische Zwischenregierung nach dem Tode Kaiser Maximilians I., Ständewesen und Protestantismus und die Zu- rückdrängung des ständischen Einflusses im Zeitalter des aufgeklärten Abso­lutismus. Ein weiterer Teil ist der Zusammensetzung der niederösterreichischen Stände gewidmet und den Veränderungen, die sich hier im Laufe der Jahrhunderte ergeben haben. Hier ist etwa auf die Auswirkungen der josephinischen Klo­steraufhebungen für den Prälatenstand zu verweisen, die Emigration prote­stantischer Adeliger vom Herren- und Ritterstand sowie die Tatsache der zahlreichen Neuaufnahmen, bei denen oftmals der Landesfürst eine gewisse Rolle spielte. Kaum ins Gewicht fiel hingegen der vierte Stand (Städte und Märkte), der im „Verordnetenkollegium“, dem wichtigsten ständischen Voll­zugsorgan, nicht vertreten war. Weitere Abschnitte der Arbeit behandeln die ständische Administration, das landmarschallische Gericht und die Landesdefension. Schließlich kommen auch noch die kulturellen Leistungen der Stände zur Sprache, wobei auf die evangelische „Landschaftsschule“, die im Zuge der Gegenreformation ihre Pforten schließen mußte, die 1685 gegründete „Landschaftsakademie“ und die „ökonomische Gesellschaft“, die sich um die Verbesserung der Landwirtschaft bemühte, verwiesen wird. Ebenso findet die Munifizenz der Stände im Bereich Mitteilungen, Band 37 31

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