Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

SCHMIDL, Erwin A.: Die Aufzeichnungen Julius Fleißigs über seine Teilnahme am mexikanischen Abenteuer Kaiser Maximilians, 1864–1867

258 Erwin A. Schmidl Tage waren wir hier gelegen, hilflos — kein Schiff in Sicht. Falls während dieser Zeit ein Sturm eingesetzt hätte, wäre das Schiff wahrscheinlich zugrunde gegangen und wir 1200 Mann mit. Nun ging es in der Strömung gegen den Golf von Mexiko (Vera Cruz) flott weiter, doch überraschte uns ungefähr auf der Höhe von Yucatán abermals ein Sturm, der aber nicht gar so heftig war, und erreichten nach einer Fahrt von 17 Tagen Vera Cruz ungefähr um den 20. Jänner 1865. Es war morgens gegen 6 Uhr, als wir in der Nähe8 *) Vera Cruz’ die Anker auswarfen. Es war ein schöner, reiner Tag, und [so] konnten wir, wie wir uns unserem Ziele näherten, nur erst die Gebirge im Inneren des Landes Mexiko (Pico Orizaba)')10) wahmehmen. Doch je mehr wir uns dem Lande näherten, desto mehr trat auch das Land in Sicht. Natürlich sahen viele ihrer zukünftigen Heimat mit Bangen und Hangen entgegen. Von unserem Ankerplatz bis zum Hafen von Vera Cruz war noch mindestens eine Meile. Die großen Schiffe konnten aber nicht bis in [den] Hafen einfahren, weil das Meer dort zu seicht, verschlammt war. Ob es jetzt schon anders ist? Die Ausschiffung geschah mit kleinen Lokal-Dampfern und dauerte fast den gan­zen Tag (bis gegen Abend). Die Tagesverhältnisse sind dort anders wie hier. In den Sommer-Monaten geht die Sonne ungefähr um V26 Uhr auf und um V2I Uhr unter, während in den Wintermonaten die Sonne ungefähr um V2I Uhr auf und um V2 6 Uhr unter geht. Noch glaube ich hier auch erwähnen zu sollen, daß wir bei der Hinfahrt (Europa-Amerika) täglich die Uhr um xk Stunde ungefähr zurückrichten muß­ten, während bei der Fahrt umgekehrt (Amerika-Europa) die Uhr täglich um ungefähr V\ Stunde vorgerichtet werden muß. Nach der Landung haben wir gleich eine Kaserne bezogen und das erste, was wir zu tun beabsichtigten, war, uns zu reinigen. Die Engländer hatten uns bei der Einschiffung Kotzen ausgefolgt, die von Ungeziefer (Läusen) nur strotzten. Daß wir das Ungeziefer absolut nicht wegbrachten, ist nicht allein das Klima, sondern auch der Umstand schuld, daß wir dann auch wochenlang auf Expedi­tionen waren, auf denen wir nicht nur allein tage-, sondern auch wieder wochenlang nicht einmal die Kleider vom Leibe bringen, noch weniger Wäsche wechseln konnten; abgesehen davon, daß selbst sehr feine Mexikanerinnen solche Tierchen beherbergen. Bis dahin hatten wir (die Mannschaft) nur Zwilch“)-Kleider getragen. Nun wurden wir mit unseren Original-Uniformen: blauer Bluse, roter (Pump-) Hose, rohledemen Gamaschen1) und grauem Jägerhut mit Adlerfeder, und mit den sonstigen Ausrüstungs-Gegenständen beteilt11). Sodann sollte zur Abrich­athmeten: Der einzige Fall, in dem. Fleißig die alte „th“-Schreibung verwendet. -s) in der Nähe im Original unterstrichen. - ') Im Original jedoch Pic Orizaba (in Klammern eingefügt). - u) Im Original unterstrichen. - v) Fleißig schrieb Kamaschen, welche 10) Der Pico de Orizaba (Citlaltépetl) ist mit 5699 m der höchste Berg Mexikos. “) Diese Adjustierung, die sich im wesentlichen an französischen, aber auch an österreichischen Vorbildern orientierte (das gilt insbesondere für die Bluse nach dem

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