Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)
SPIELMAN, Danila Cole – THOMAS, Christiane: Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. in Spanien. Bisher unbekannte Briefe Karls V. an seinen Bruder (1514–1517)
Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. 7 man bestimmt nicht die Berechtigung zur Archivbenützung ab - im Gegenteil, man entlehnte in großzügigster Weise Archivalien an die Arbeitsstätte Bauers in der Universität, an das Institut für österreichische Geschichtsforschung24) —, und eine Zensur für Materialien des frühen 16. Jahrhunderts war kaum zu erwarten. Trotzdem hatte Bauer eine negative Folge der Zensur zu spüren, denn es ist klar, daß mit dem Prinzip, den Archivar über das wissenschaftliche Wohl und Wehe des Forschers sein Urteil fällen zu lassen, letzterer keine Archivbehelfe in die Hand bekam. Alle Inventare dienten dem internen Gebrauch durch den Archivbeamten, waren nicht Orientierungs- und Hilfsmittel für den Außenstehenden. Dieses Faktum hatte für Bauer weitreichende, ja verhängnisvolle Konsequenzen. Im Jahr 1870 war nämlich in der gestochen kalligraphischen Schrift des Archivars Thomayr das Verzeichnis der Korrespondenzen österreichischer Herrscher, der Familienkorrespondenz A25), mit der laufenden Nummer 298 abgeschlossen worden. Es handelte sich zwar nicht wie bei dem heute verwendeten Archivbehelf X/2 um eine alphabetische Aufstellung nach Absendern und Adressaten, aber immerhin um eine chronologisch angeordnete Abfolge der Briefkonvolute eines Briefstellers oder -empfängers. Dementsprechend enthielt Faszikel 1 auf Seite 1 die frühesten habsburgischen Familienschreiben. Ein Blick hätte Bauer genügt, um als vierten Posten - später mit der Bleistiftbezeichnung D versehen - die auf drei Spalten verteilte Eintragung „Karl V. von / 1514-1554 / 11 Stück“ zu erkennen. Danach hätte eine gezielte Bestellung seinerseits erfolgen können, — die allerdings, wie weiter unten auszuführen sein wird, ergebnislos geblieben wäre. Da er aber nur sein Thema nennen konnte und auf das Wissen der Archivare angewiesen war, die für ihn alles in Betracht zu Ziehende sammelten, um es ihm nach einer Überprüfung zur Bearbeitung auszuhändigen, konnte er sich selbst kein Bild über den Umfang, geschweige denn über Einzelstücke machen. Anders gelagert war der Fall des Maximilian-Briefes26): Bauer berief sich auf den Druck bei Chmel, konnte insistieren, daß das Original im Archiv vorhanden sein müsse, und sich vor den Augen der wissenschaftlichen Fachwelt absichem, als die Archivare eingestehen mußten, vergeblich gesucht zu haben27). Die Erschließung durch Chmel schützte also Bauer vor einem Versäumnis. Was die Jugendbriefe anlangt, konnte er nicht initiativ werden, nicht immer wieder bohren: Der Zugang war ihm mm einmal versperrt. Gerade weil Bauer zu seiner Zeit mit gewissen Schwierigkeiten28) für seine grundlegenden, heute noch nicht über24) So z. B. HHStA Kurrentakten ZU. 116/1903, 391/1904, 596/1904, 59/1905. 2ä) Die Serie Familienkorrespondenz B umfaßt die offiziellen Glückwunschschreiben: siehe Gesamtinventar 2 (1937) 26. 26) Bauer FK 2 n. 2. 27) Ebenda; vgl. oben S. 4. 28) Darunter ist nicht nur der eingeschränkte Zutritt zu den Quellen selbst, sondern auch die Ausarbeitung von Editionsregeln zu verstehen: Es ging nicht allein darum, den drei Bänden von Karl Lanz Correspondenz des Kaisers Karl V. aus dem Königlichen Archiv und der Bibliothéque de Bourgogne zu Brüssel (Leipzig 1844/1845/1846) die