Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

KÖHBACH, Markus: Ein diplomatischer Rangstreit in Istanbul im Jahre 1587

Ein diplomatischer Rangstreit in Istanbul 265 lateinischen Psalm“) an. Eine große Volksmenge strömte zusammen, um dieses verrückte Schauspiel zu sehen. Trotz mehrfacher Mahnung, sein unsinniges Tun zu beenden und abzuziehen, blieb Lanscosmes hartnäckig, auch als ihm vom Großvesir die Aufforderung zuging, endlich Schluß zu machen. Er erklärte, er wäre für die Ehre seines Herrn, des Königs von Frankreich, zu sterben bereit, selbst wenn der Sultan persönlich auf ihn schießen ließe. Schließlich wurde ein Bölükbagi mit einigen Janitscharen hinbeordert, um die bewaffneten Franzosen festzunehmen. Allerdings zogen sie ohne einzugreifen wieder ab, teils aus Furcht vor Widerstand, teils durch gutes Zureden anwesen­der Türken, die mit dem Gesandten befreundet waren, dazu bewogen. Lans­cosmes bot der ständig anwachsenden Volksmenge bis zur Mittagszeit sein närrisches Schauspiel, bis er endlich unter Spott und Hohn unverrichteter Dinge das Feld räumte. Er erklärte am nächsten Tag dem venezianischen Bailo12), er würde in dieser Handlungsweise alle Sonn- und Feiertage fortfah­ren, um die Angehörigen der kaiserlichen Gesandtschaft am Besuch der Kirche zu hindern, es sei denn, der kaiserliche Gesandte erkläre sich bereit, ihm in Zukunft den Ehrenplatz unangefochten zu überlassen. Diese Vorfälle kosteten Lanscosmes den Rest seines Ansehens bei den Osma- nen. War er schon vorher wegen seiner Arroganz und Ansprüche allenthalben unbeliebt, so beurteilte man ihn nun als gefährlichen Verrückten, dessen Abberufung man betreiben sollte. Nach dem Bericht von Dr. Pezzen soll sich der Großvesir ihm gegenüber in diesem Sinne erklärt haben13). Dieses harte Urteil findet sich auch in dem Schreiben des Großvesirs vom Ramazan 995 an Kaiser Rudolf II. Der Großvesir nimmt darin auf die jüngst vorgefallenen Ereignisse Bezug und wirft dem französischen Gesandten Narrheit vor, wäh­rend er das kluge und zurückhaltende Betragen Pezzens lobt, wodurch ein ernsthafter Zusammenstoß vermieden werden konnte14). Die Osmanen nahmen diesen Streit ausländischer Diplomaten zum Anlaß, die Kirche von San Francesco, die zum eigentlichen Kristallisationspunkt der ") Psalm 23,7 bzw. 9 nach der Version der Vulgata: „Attolite portas principes vestras et elevamini portae aetemales et introibit rex gloriae. “ ,2) Nach dem-Bericht Pezzens von 1587 August 14: HHStA Turcica 62 (1587 August) föl. 106r-114r. 13) Pezzen schreibt bereits am 4. August 1587: ......daß mann disen unsinnigen, le ichtfertigen Mann von Inen abfordern solle, sonst werde Sulthanus verursacht, densel­ben an ainer Ketten in ain Spittal, wo man den Unsinnigen zu wartten pflegt, zuver­schaffen“ (HHStA Turcica 62 [1587 August] fol. 40r). 14) Der Großvesir schreibt in der Anm. 3 genannten Urkunde an den Kaiser: „.. . hällyen gélén élgiqüz datu yüzi ag olsun usli ve 'aqilli olmaqla Firanga élgisine uymadi eger uyub Firanga élgisi gibi divänelük éde idi eyü olmazdi temäm mertebe sähib-'aql olub umdugumuzdan ziyäde bulunmag-ila cümle ehl-i Islam ve nasränller Firanga élgisin ta'qib eylediler §öylece maclümur)uz ola“ (’Da Euer gegenwärtig ange­kommener Gesandter — sein Antlitz möge licht sein! — vernünftig und klug ist, paßt er nicht zum französischen Gesandten. Wenn er [zu ihm] paßte und wie der französische Gesandte Narrheit triebe, wäre es nicht gut. Da er [aber] in vollkommenem Maße klug ist, mehr als wir erhofft haben, verfolgen alle Muslime und Christen den französischen Gesandten. So möge es Euch bekannt sein!’).

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