Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

KÖHBACH, Markus: Ein diplomatischer Rangstreit in Istanbul im Jahre 1587

264 Markus Köhbach Ehrenplatz in der Kirche, die schließlich in bedrohlichem Ausmaß eskalierten. Dr. Pezzen ließ am 2. August 1587 durch seine Bediensteten eine samtene Decke über den Ehrenplatz in der Kirche von San Francesco breiten, um seinen Anspruch darauf zu zeigen. Als Lanscosmes davon erfuhr, schickte er seine Leute, die die Decke wieder herunterrissen. Gleichzeitig mobilisierte er unter den in Galata ansässigen Franzosen einige Dutzend Mann, bewaffnete sie und zog mit ihnen zur Kirche, um Dr. Pezzen und seinen Leuten, falls sie zur Messe kämen und sich dem Vorgehen der Franzosen widersetzten, einen blutigen Empfang zu bereiten. Pezzen hatte aber davon erfahren, seine Decke heimlich wieder holen lassen, und geleitet vom sicheren diplomatischen Gefühl für den Ernst der Situation zog er es vor, auf den Kirchenbesuch zu verzichten und seinen Kaplan* 9) in der Gesandtschaftsherberge eine Messe lesen zu lassen. Lanscosmes wartete bis zum Mittag mit seiner Schlägergarde vor der Kirche, worauf er unter dem Spott der muslimischen und jüdischen Bevölkerung, die sich über das Gezänk der Christen belustigte, abziehen mußte. Lanscosmes hatte die Kühnheit, sich über Pezzen beim Großvesir zu beschweren, erhielt aber eine äußerst ungnädige Antwort10 *). Lanscosmes replizierte, er wäre es der Ehre und dem Ansehen seines Königs schuldig, dem Anspruch des kaiserlichen Gesandten auf eine bevorzugte Stellung entgegenzutreten. Zehn Tage später spitzte sich die Situation erneut kritisch zu. Pezzen war willens, die Messe zu besuchen, und hatte bei den Mönchen von San Francesco vorsichtshalber anfragen lassen, ob der französische Gesandte erscheinen würde, um gegebenenfalls einem Zusammenstoß auszuweichen. Als bekannt wurde, daß Lanscosmes die Absicht hätte, wieder mit bewaffneter Begleitung zu erscheinen, verzichtete Pezzen auf den Besuch der Kirche. Die Obrigkeit von Galata beschloß im Einvernehmen mit den Mönchen, die Kirche an diesem Tag zu sperren. Lanscosmes höhnte, er wolle sehen, wer seinem König die Kirche versperre, notfalls würde er sich gewaltsam Zutritt verschaffen und jeden Widerstand mit Gewalt brechen. Am nächsten Tag, Sonntag, 11. August 1587, erschien er mit ca. achtzig bewaffneten Begleitern. Unterwegs erhielt er die Nachricht, daß die Kirche auf Befehl der Behörden gesperrt sei und im Auftrag des Großvesirs bewacht würde; es wäre daher ratsam, unbewaffnet zu erschei­nen. Lanscosmes postierte darauf seine schwerbewaffneten Begleiter in einigen Häusern und zog mit dem Rest, der Dolche und Pistolen in der Kleidung versteckt trug, vor die Kirche. Er schlug mit Händen und Füßen an die verschlossene Kirchentür und stimmte zuweilen mit lauter Stimme einen eine Moschee (Yeni Cami) umgebaut wurde, siehe Alphonse Bel in Histoire de la Latinité de Constantinople (Paris 21894) 187-212; Alfons Maria Schneider-M. Isidoros Nomi­dis Galata. Topographisch-archäologischer Plan (Istanbul 1944) 23 f. 9) Lubenau 1. Teil 63 nennt unter der Begleitung Dr. Pezzens auch dessen Geistli­chen: „Johannes Sacellanus, Jesuita, des Herren oratoris Beichtvatter“. Heberer 296 f nennt ihn einen hilfsbereiten und freundlichen Menschen. 10) Nach dem Bericht Pezzens von 1587 August 4: HHStA Turcica 62 (1587 August) fol. 35r-40v.

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