Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

DIRNBERGER, Franz: Theaterzensur im Zwielicht der Gesetze (1918–1926)

258 Franz Dirnberger lichkeit, ein Stück so abzuändern, daß die behördliche Genehmigung er­teilt werden könne. Die Regelung vor der Einführung der Zensurbeiräte 1903 hatte auch nicht wesentlich anders ausgesehen 53 * 5S). Der wesentliche Inhalt der Theaterzen­sur erscheint aber 1898 anläßlich der Neuregelung bei den Hoftheatern besonders deutlich54): Um dem künftigen Zensor eine Information oder Instruktion zu geben, wollte das Ministerium des Äußern und des kaiser­lichen Hauses, dem diese Aufgabe wieder zufiel, eine Definition des Be­griffes Zensur, eine Umschreibung der Aufgaben eines Zensors. Das Obersthofmeisteramt teilte daraufhin mit, daß sich die Zensur „auf die vom Standpunkte des ah. Hofes und der Staatspolizei ins Auge zu fassen­den, sonach nicht auch auf artistische Momente zu erstrecken“ habe; den Zensor sollten „zunächst die Grundsätze der Moral und der Ästhetik, sowie die Rücksichten auf die Religion, das ah. Kaiserhaus und die poli­tischen Verhältnisse“ leiten. Keinesfalls sei es Aufgabe des Zensors, text­liche Änderungen vorzunehmen, sondern allein zu überprüfen, ob ein Stück zur Aufführung an den Hoftheatern geeignet sei oder nicht. Das Streichen und Abändern des Textes durch den Zensor, vielfach vermut­lich das Vorschlägen von Abänderungen, um den jeweiligen Stücken eine Genehmigung zu ermöglichen, entsprang dem Bemühen, ja Feilschen der Theaterunternehmer (Direktoren), für ein bestimmtes Stück vielleicht doch noch die Aufführungsbewilligung zu erhalten. Das Wesentliche der Zensur bestand demnach in der Prüfung der Stücke nach ihrer Eignung unter bestimmten Rücksichten, nicht im Anordnen oder Vorschlägen von Änderungen. Diese Prüfung oder Beurteilung der Stücke, also der wesentliche Inhalt der bisherigen Zensur, sollte nach den Intentionen des Bundeskanzleramtes bleiben, obwohl sie nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes rechts- und verfassungswidrig war. Dem gegenüber wird man dem Polizeipräsidenten Dr. Schober zu­stimmen müssen, der — wie erwähnt — die Ansicht vertrat, daß aufgrund des genannten Erkenntnisses die Erteilung einer Aufführungsbewilligung künftig zu entfallen hätte. Wie die amtliche Praxis schließlich aussah, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht verfolgt werden. Für die Bundestheater hatte die Zensuraufhebung nach der Verfassungs­53) Die oben Anm. 4 zitierte Instruction sah unter anderem vor: „Der Statt­halter ist berechtigt, die angesuchte Aufführungsbewilligung, wenn er es für angemessen findet, ohne Angabe der Gründe einfach zu versagen. Insoferne jedoch die Hindernisse, welche der Bewilligung entgegenstehen, nicht sowohl in der ganzen Tendenz des Bühnenwerkes, sondern vielmehr in einzelnen einer Abänderung fähigen Theilen desselben beruhen, so können dem Unternehmer im kurzem Wege die erforderlichen Erinnerungen gemacht werden, um ihn in den Stand zu setzen, durch passende Umarbeitungen diese Bedenken zu be­seitigen“. M) HHSTA Obersthofmeisteramt r. 19/A/24 (ZI. 6275) von 1898 August 12.

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