Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

HEINDL, Waltraud: Universitätsreform – Gesellschaftsreform. Bemerkungen zum Plan eines „Universitätsorganisationsgesetzes“ in den Jahren 1854/55

142 Waltraud Heindl Aus diesem Grund lehnte Thun auch einen Vorschlag, der immer wieder dis­kutiert wurde24), strikte ab, nämlich die Wiedereinführung des alten Amtes des Studiendirektors. Es sei mit der Ehre eines Professors nicht vereinbar, sich überwachen zu lassen25), die Einrichtung allein würde Mißtrauen aus- drücken, und später - als die Sache für Thuns Absichten ungünstig stand und die Wiedereinführung der Studiendirektoren von „Allerhöchster Seite“ beschlossene Sache war —: Es würde überhaupt schwierig werden, „Professo­ren von Rang“, denen jede Universität Deutschlands offenstehe, für eine sol­che Universität zu gewinnen26). Er halte die Installierung von Studiendirek­toren für das Leben einer Universität geradezu für „gefährlich“: „Bei der in der menschlichen Natur begründeten Geneigtheit, in der Stellung seiner Vor­gesetzten seine Macht fühlen zu lassen, liegt überdies für die Direktoren die Versuchung nahe“, so schreibt Thun weiter, die Professoren zu unterdrücken. Andererseits läge es auch in der menschlichen Natur, daß Professoren aus Charakterschwäche um die Gunst der Direktoren buhlten und sich diesen gegenüber als willfährige Werkzeuge erwiesen: Darin sah Thun den „Keim der Demoralisation des Lehrkörpers“. Dagegen sei kein Kraut gewachsen, außer die Direktoren wiesen besondere Eigenschaften auf, wie „hohe Ach­tung vor der Wissenschaft, Einsicht in die Bedingungen ihres Gedeihens und Anerkennung der hiezu unerläßlichen Freiheit . . ., jene Besonnenheit und Charakterweisheit, die allein Menschen dazu befähigt, nur die Sache und nicht irgendwelche andere Rücksichten zu sehen“. Es werde sehr schwierig sein, Männer mit diesen Eigenschaften als Studiendirektoren zu finden, weil es diese eben selten gäbe27). So schlug er als probates Mittel vor, die Stellung der Professoren zu stärken, gleichzeitig die Macht des Rektors zu erweitern und diesem die Disziplinar­gewalt zu verleihen. Was sollte aber mit den unbequemen Doktorenkollegien geschehen? Thun riet aus Gründen der Klugheit - es wäre gegen alle Traditionen gewesen - ab, sie vollständig aufzulösen. Durch seine Konstruktion des Statuts sollten sie, wie schon erwähnt, lediglich entmachtet werden und außerdem nur aus wissenschaftlich interessierten oder lehrenden Doktoren bestehen28). Damit 24) „Bemerkungen des Ministers des Inneren zum Protokoll der Ministerkonferenz vom 5., 12., 16. und 19. Dezember 1854 und 13. Jänner 1855“ s. d., als Beüage dazu (wie Anín. 9); wird publiziert in Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867 III/3 (wie Anm. 9). 25) Gegenbemerkungen Thuns (wie Anm. 21). 26) Vortrag Thuns (Konzept), s. d. (vermutlich 1856): AVA UM-AR n. 1414/1856 (Sammelakt). 27) Ebenda. 28) Thun meint zu diesem Problem: „Ein anderer Vorschlag, den bisher erlittenen Übelständen zu begegnen, könnte vielleicht darin gesucht werden, daß man die Dokto­renkollegien zwar nicht ganz kassierte, jedoch sich begnügte, einen Teil derselben, z. B. eine korrelative Anzahl wissenschaftlich hervorragender Doktoren dem betref­fenden Professorenkollegium beizugeben, die übrigen aber aus der Fakultät gänzlich ausschiede ... Vor allem wäre es“, fährt er fort, „sehr schwer, ohne bleibende Miß-

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