Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

WEILING, Franz: Die philosophische Lehranstalt in Brünn (1808–1849) und die österreichische Bildungspolitik jener Zeit. Ihre Bedeutung für die Entdeckertätigkeit Johann Gregor Mendels

112 Franz Weiling Brünn, das sich jedoch bereit erklärte, die erforderlichen Unterrichtsräume für die neue Lehranstalt zu stellen. Indessen scheint dieser Antrag Brünner Bürger sowohl dem kaiserlichen Statthalter wie dem Bischof und auch der Zentralregierung in Wien nicht ungelegen gekommen zu sein. Denn Brünn war damals der einzige Sitz eines kaiserlichen Statthalters, an dem sich keine Philosophische Lehranstalt befand4). Auf Grund einer kaiserlichen Entschließung verfügte die Wiener Regierung mit Dekret vom 9. Dezember 1807 die Errichtung eines zweijährigen philosophischen Studiums in Brünn, wobei mit dem ersten Kurs im Schuljahr 1809, d. h. im Herbst 1808, zu be­ginnen sei5). Nach den Ausführungsbestimmungen der Hofkanzlei waren die drei mährischen Abteien gehalten, die Besoldung der zunächst einzustellen­den provisorischen Lehrkräfte solange zu übernehmen, bis sie selbst geeigne­te, geprüfte Professoren zu stellen imstande seien. Während die Stifte Rai- gem und Neureisch sich zur Übernahme der auf sie entfallenden Kostenan­teile bereit erklärten — nach einem Schreiben des Landesgouverneurs vom 10. Juni 1819 an die Studien-Hofkommission hatte die Abtei Raigern rund 37%, Neureisch 19% und Altbrünn 44% der jährlich anfallenden Kosten in Höhe von 4.731 fl. 59 kr. zu übernehmen6) -, suchte der Abt von Altbrünn in einem „Hofgesuch“ vergeblich, diese Bürde abzuwenden7). Inzwischen wurde in dem zum Minoritenkloster gehörenden Pfarrhaus ein geeignetes Gebäude zur Aufnahme der neuen Lehranstalt ausgemacht. Auch für die Unterbrin­gung der von auswärts zu holenden Lehrkräfte wurde das Minoritenkloster vorgesehen. Unter dem 14. August 1808 entschied Kaiser Franz EL in einem Handschreiben aus Laxenburg persönlich, daß der Provinzial der böh­misch-mährischen Piaristen fünf geeignete Geistliche seines Ordens für die­sen Zweck vorerst zur Verfügung stellen solle. Von diesen Lehrkräften soll­ten einer als Vorsteher und Religionslehrer, die übrigen als Fachlehrer die­nen8). Sie vertraten dem damaligen Brauch entsprechend die Fächer Theore­tische und praktische Philosophie, Reine und angewandte Mathematik, Phy­sik, Allgemeine Weltgeschichte sowie Griechische Philologie. Für jeden der 4) Ähnliche philosophische Lehranstalten befanden sich, resp. wurden um diese Zeit errichtet, in Krems, Budweis, Leitomischel und Pilsen (Vortrag der Studien-Hof­kommission von 1828 Februar 23: StHK 372 ZI. 1718/1828. 5) StHK 372 ZI. 24444/1807. Die Eröffnung der Anstalt erfolgte am 16. November 1808. Vgl. Joseph Calasanz Likawetz Rede welche am 16. November 1808 bey der feyerlichen Eröffnung der philosophischen Lehranstalt in Brünn vorgetragen worden (Wien 1809). Ein Exemplar dieser Rede ist in der Universitätsbibliothek Brünn erhal­ten geblieben. Sie behandelt „die Erhabenheit, die Würde und den Wert der Philoso­phie“. Dabei werden die Erscheinungen und Gesetzmäßigkeiten des Naturgeschehens ebenso einbezogen wie die ethischen Prinzipien des menschlichen Lebens. Mit einer heute unverständlichen, damals durchaus üblichen Überschwenglichkeit werden Kai­ser und Landesgouvemeur bedacht, desgleichen der Bischof, dem die Anstalt unter­stellt ist. 6) StHK 372 ZI. 4181/1819. 7) Bericht des Landesgouvemeurs von Brünn 1808 Juli 15: StHK 372 ZI. 440/1808. 8) StHK 372 ZI. 440/1808.

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