Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

BOSMANS, Jac: Ausländische Präsenz in Österreich während des Genfer Sanierungswerkes 1922–1926

308 Jac Bosnians Norman? Wenn ja, so müssen wir Eitelkeit, Empfindlichkeit und Mißtrauen ablegen und die gegebenen Machtverhältnisse zum Wohl des Vaterlandes mit Mut und Entschlossenheit tragen!“78) Von einem der engsten Vertrauten Normans, dem city-editor von The Times, Mill, erfuhr Franckenstein, „daß man neben der Sympathie für unser Land auch ein lebhaftes Verantwor­tungsgefühl bezüglich der Entwicklung unserer Verhältnisse hege, die man gerne fördern möchte, vorausgesetzt, daß dort nicht eine Finanzpolitik be­trieben werde, die man hier für unrichtig, ja für die Zukunft des vom Völ­kerbund ausgearbeiteten Wiederaufbauprogrammes verhängnisvoll betrach­ten würde“79). Jan van Walré de Bordes, ein ebenso treuer Anhänger der Londoner Politik wie Zimmerman, glaubte: . . the good opinion of London is of such preponderant importance to Austria, . . . that it is necessary to give in to London, even if London is wrong. After all, the banking experience of London is such that its recommendations never will be very much off the track“80). Und Zimmerman, Anfang 1925: „Das Erste, was für die nächste Zukunft notwendig ist, ist eine österreichische Bankpolitik, die sich nicht so weit als die vorherige von den Auffassungen Londons entfernt“81). Die Beziehungen zwischen der Bank von England und der Nationalbank wa­ren von Anfang an durch die Frage der Ernennung des Bankpräsidenten und des ausländischen Beraters erkaltet. Im Herbst 1923 wurden sie immer schlechter. In London bemühte man sich damals, die Position des Sterlings dem Dollar gegenüber zu behaupten. Die Nationalbank verkaufte ihr bei der Bank von England hinterlegtes Guthaben von vielen Millionen Pfund Ster­ling gegen Dollars, um Verluste zu verhindern. Dadurch wurde die Verteidi­gung des Sterlings noch schwieriger. Norman betrachtete diesen Verkauf als eine äußerst unfreundliche Aktion, während seine Bank alles getan habe, um Österreich zu helfen. Zur gleichen Zeit wuchs der Ärger über die Wiener Bankpolitik. Ende 1924 besuchte Reisch London, und Norman verabschie­dete sich von ihm mit den folgenden Worten: „Unanimously we disapprove of your attitude; we will fight it; you make inflation, which reacts on your prices; within a short time you will bring your country into a situation com­parable to that of the summer of 1922“ 82). Aber noch bevor dieser Besuch stattfand, hatte sich einiges ereignet. Unter Druck Londons war im August 1924 der Diskontsatz auf 15 Prozent erhöht worden, nachdem die Nationalbank schon vorher von sich aus eine Erhöhung auf 12 Prozent durchgeführt hatte. Von der Bankführung hatte sich nur der Generaldirektor Viktor Brauneis dafür ausgesprochen; er hatte die Erhöhung sogar so ernst genommen, daß er, hätte sie nicht stattgefunden, von seinem 7S) HHStA NPA 40: Gesandtschaftsbericht aus London, 1924 Dezember 11. 79) HHStA NPA 40: Franckenstein an Mataja, 1924 Dezember 14. 80) Sill 2/19/4: The dispute between the Bank of England and the Austrian Natio­nal Bank. Note von Van Walré de Bordes, 1925 Januar 17. 81) C9 5/2c: Unterredung Zimmermans mit Ramek, 1925 Januar 26. 82) Sill 2/19/4 (wie Am 80).

Next

/
Oldalképek
Tartalom