Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

DIENST, Heide: Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites

hung stehen, finden sich in der Zeugenreihe einer Aufzeichnung über die Weihe der Kirche in Meisling durch Bischof Ulrich von Passau. Die angeblich im Herbst 1111 verfaßte Notiz stammt erst aus der Mitte des 12. Jahr­hunderts, weist eine Tendenz gegen die oben erwähnte Existenz der Pfarre Kottes auf, dürfte aber - was die Personennamen betrifft - auf eine gleichzeitige Tradition zu­rückgehen80). Darin ist zu lesen: „cuius gcclesi? (sc. Muzlihe) parrochiam . . . vicinis parrochiis placuit . . . distinguere . . .“. Vom „clerus maioris §cclesi§“ sind als Zeugen angeführt: Pabo, der scholasticus Ulrich, die Archipresbyter Wemzo und Adolold, Elbwin, der Dekan Herbord sowie die Pfarrer Ulrich, Woffo und Lanzo, ferner die Kapläne Vokko, Oppold und Immo81). Unter den Laien begegnen Namen aus der Grie-Gegend, die einen Zusammenhang mit der gleichzeitig in Erscheinung tretenden Kuenr inger-Sippe auf weisen 82). Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf 23 Vergegenwärtigt man sich die geographische Situation, so kommen als Nachbarpfarrer die von Pölla, Gars und Krems, allenfalls noch Weiten in Frage. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die drei als Zeugen genann­ten Pfarrer die dieser drei Orte waren; Lanzo war später Archipresbyter. Es ist nicht sicher, aber wahrscheinlich, daß den Archipresbytern gewisse Sprengel zugeordnet waren, in denen sie eine Pfarraufsicht zu führen hatten. Ihre Zahl wuchs mit ihren Aufgaben83). Von den genannten Kaplänen ist be­sonders auf Oppold und Immo hinzuweisen, die wir als Kanoniker von Klo­sterneuburg kennen. Allem Anschein nach waren sie nicht Inhaber einer Pfarre, sondern einer in der fraglichen Gegend gelegenen Kirche innerhalb eines der Pfarrsprengel. Daß sie als passauische Kapläne aufscheinen, schließt ihre Zugehörigkeit zum Klostemeuburger Kapitel keineswegs aus, geht doch gerade aus dem Zehentvergleich von 1135 hervor, daß der Bischof die gesamte in seiner Diözese tätige Geistlichkeit als „seinen“ Klerus ansah. Offen bleibt auch die Möglichkeit, daß die jungen Kleriker der Domschule 80) BUB 4/1 n. 608; vgl. dazu Mitis Studien 218-227. Die Zeugen lassen erkennen, daß in dieser Gegend am Anfang des 12. Jahrhunderts noch eine reiche slawische Sied­lerschicht vorhanden war; am Ende der Zeugenreihe stehen: Taur, Wrso, Negez, Jaz- tra, Vorso, Domiszai, als Besitzer einer Hufe in Reittem (GB Gföhl) wird ein Zasir ge­nannt. Vgl. dazu unten S. 35. 81) (Vor 1113?) übertrug Markgraf Leopold auf die Kreuzrelique der Marienkirche von Klosterneuburg Wullersdorf („forum W.“) und einen Weingarten in Klosterneu­burg mit dazugehörigen Weinbauern „concessione et rogatu Wochonis . . . post obitum suum . . .“. Wocho scheint also Besitzer, vielleicht Pfarrer von Wullersdorf gewesen zu sein, dessen Pfarrechte 1113 an Melk gekommen sind: FRA 2/4 n. 148. Die vorherge­hende Notiz (n. 146) handelt von der Ravelsbach-Transaktion. Es wäre denkbar, daß mit „forum“ die Kirche gemeint ist (die Bezeichnung ist auch für das Kirchenschiff belegt), dazu eine allerdings späte Parallele: im Zwettler Stifterbuch (vollendet vor 1311) wird „forum in Polan cum filiabus ecclesiis“ erwähnt: FRA 2/3 51. 82) Vgl. Dienst Tradition 79 ff und unten S. 32f; Lechner Waldviertel (1924) 46ff und Waldviertel 7 (1937) 49ff. 83) Vgl. Josef Oswald Das alte Passauer Domkapitel (München 1933) 42 ff; über Funktions- und Pfründenhäufungen 46 ff.

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